Suonen-Wanderung für Abenteuerlustige (und alle anderen auch)
Suonen, die „Heiligen Wasser“, bezeichnen die uralten, aufwändig konstruierten Wasserläufe im Wallis. Hier ein kleiner Guide zu einer der schönsten (und abenteuerlichsten) Suonen-Wanderungen der Schweiz.
Das Gredetschtal bei Visp ist eines von einer ganzen Reihe von urigen und kaum berührten Tälern zwischen dem Lötschental und Brig. In fast gerader Linie steigt es hoch, mehr als 3000 Meter von ganz unten an der Rhone bis hinauf zum fast 4000 m hohen Nesthorn. Es ist ein kerniges Tal, roh und ungezähmt. Viel mehr als ein paar Alphütten und einen Karrenweg gibt es hier nicht, dafür um so mehr unverbrauchte, kraftstrotzende Natur.
Pause hinten bei der Alp Strick
Die Flanken zu beiden Seiten sind so steil und ruppig, dass sich wohl kein Gämsjäger hier hineinwagt, und auch kein Bergsteiger. Nur wenige Wanderer steigen höher als bis zur Alp Strick – dahinter liegt eine schroffe und unwegsame Welt aus Geröll und Gestein.
Wildes, ungehobeltes Gredetschtal
Nahe des Taleinganges, auf der Westseite, liegt an einem Sonnenhang das Dorf Mund. Da hier im Jahresverlauf sehr wenig Niederschlag fällt, mussten früher die Bauern das kostbare Nass von weit her in ihre Wiesen und Äcker leiten. Diese Kanäle, Suonen heissen sie hier, führten durch Wiesen und Wälder, manchenorts aber auch an senkrechten Felswänden entlang.
Suonen-Kanal in einer Felswand
Die Wyssa-Suone oberhalb von Mund ist möglicherweise die älteste Suone im Wallis. Pfarrer Seematter von Mund schrieb vor knapp hundert Jahren, dass er die in eine Felswand eingemeisselte Jahreszahl 930 entdeckt habe. Wer heute auf den Weglein den Kanälen entlangwandert, manchenorts in senkrechten Felswänden, oder auf allen Vieren durch enge Tunnel kriecht, das Wasser unter den Holzplanken gurgelnd, kann mit eigenen Sinnen erfahren und erahnen, mit welchem Aufwand und unter welchen Gefahren die Männer der Dörfer vor langer Zeit die Suonen für das lebenswichtige Wasser, das „heilige Wasser“, bauten und unterhielten.
Moderne Suonenbrücke an der Wyssa-Suone
Nun, schon zwei Mal habe ich das Wort „senkrecht“ verwendet, und das verträgt sich generell nicht so gut mit „Wandern“. Wie sieht es konkret aus? Der Hinweg ins Gredetschtal führt der Stigwasser-Suone entlang, und hier gibt es keinerlei Schwierigkeiten. Der Rückweg nach Mund ist anspruchsvoller, auf einer Länge von etwa einem Kilometer führt hier der Wanderweg durch eine steile Fels- und Schrofenwand.
Das ist die vielleicht exponierteste Stelle. Soo weit geht es links aber nicht hinab…
Der Weg ist manchenorts exponiert, und auf kurzen Abschnitten ist man echt in einer senkrechten Wand unterwegs. Es wurden aber Bretterstege angelegt, und meistens ist zudem ein Handlauf vorhanden. Auch wenn es nicht hunderte Meter in die Tiefe geht (vielleicht 20 Meter), sollte man auf jeden Fall schwindelfrei und trittsicher sein. Wer das nicht ist, muss aber nicht auf diese Wanderung verzichten. Den ausgesetzten Abschnitt kann man in einem langen, geraden Tunnel umgehen, oder man nimmt einfach wieder die Aufstiegsroute dem Stigwasser entlang.
Der Hinweg ins Gredetschtal verläuft auf einem einfachen Wanderweg
Zum Schluss noch eine weitere spannende Geschichte zu diesem Mund: Das wertvolle Nass bewässerte nicht nur Kartoffel und Gerstenäcker, es brachte auch Leben in die Wiesen, mit Abertausenden von Safranpflanzen. Aus ihren roten Stempelfäden wurde in aufwändiger Handarbeit Safran, das „Rote Gold“, gewonnen. Heute ist Mund der letzte Ort in der Schweiz, der diese Tradition noch pflegt.
In Mund gibt es einen Safran-Lehrpfad
Das Wichtigste, damit Ihr gleich loslegen könnt:
Ausgangspunkt: Mit dem Bus vom Bahnhof Brig nach ‚Mund, Dorf’
Route: Auf der Dorfstrasse hoch und nach einem knappen Kilometer, bei Punkt 1270 m, rechts weg. Der Stigwasser-Suone entlang ins Gredetschtal und in diesem hoch bis zur Alp Strick (1655 m). Auf demselben Weg zurück, nach etwa 1 ½ Kilometern aber rechts halten und der Wyssa-Suone entlang. Gut 100 m nach dem Südportal des neuen Wasserleitungstunnels links weg und hinab nach Mund.
Kennzahlen: Länge 11.5 km, je 490 m Auf- und Abstieg, 3 ½ bis 4 Stunden, Schwierigkeit: T3, stellenweise exponiert.
Einkehren und Übernachten: Keine Restaurants auf der Route, in Mund selbst Restaurants, Bed & Breakfast Jägerheim, Telefon 027 923 04 89, Restaurant Salwald mit Lager, Telefon 027 923 12 18, kein Hotel.
Tipp: Safranmuseum in Mund, geöffnet Oktober bis Mitte November, Mittwoch, Samstag und Sonntag 10 – 12 Uhr und 13 – 16 Uhr. Safranlehrpfad am unteren Dorfende, www.prosafrandorf.ch
Infos: Landeskarte der Schweiz 1:25’000, Blatt 1289 (Brig), 1:50’000 Blatt 274 / T (Visp). www.belalp.ch
Sechs Walliser in Mund
Detaillierte Karte auf schweizmobil.ch (Bild anklicken um zu vergrössern)