Meine Lieblingswanderung in Bhutan
Kesang, mein langjähriger lokaler Führer in Bhutan, übergibt jeder und jedem unserer Wandergruppe ein Geschenk. Mit einem Lächeln erklärt er: „Ich habe für euch Gebetsfahnen gekauft, damit unsere Reise und die wunderschönen Wanderungen glücklich verlaufen“.
Im nächsten Kloster lassen wir seine Gabe von den Mönchen segnen. Und im Licht der Morgensonne platzieren wir diese gemeinsam auf einem kleinen Bergpass. Jeder Pass wird drei Mal auf Dzongkha (offiz. Sprache Bhutans) begrüsst. Immer ist ein „La“ am Namen angehängt, das Bergpass, aber gleichzeitig auch Seele bedeutet. Nach diesem Ritual treten wir beglückt unsere Wanderung an, die uns durch einen märchenhaften Rhododendrenwald bis zum Übergang ins Gletschertal führt.
Frauen bei der Arbeit
Begegnungen in diesem ganz anderen Alltag
Unterwegs begegnen wir Nomadinnen, die Yakwolle zu Seilen, Taschen und anderem verarbeiten. Die Herden sind bereits ins Winterquartier auf ca. 3500 Metern ü.M. gezogen.
Der Zwergbambus, durch den wir aufsteigen, stellt die Hauptnahrung der Yaks – eine in Zentralasien verbreitete Rinderart – dar. Hin und wieder hören wir ein Schnauben, und manchmal entdecken wir die Tiere halb versteckt hinter Bäumen und Sträuchern. Unterwegs stossen wir auf eine Geisterfalle. Obwohl kein anderes Land den Mahayana-Buddhismus in seiner tantrischen Form so intensiv lebt, dringt in den Ritualen und dem täglichen Leben immer noch die alte Bön- oder Bonkultur durch.
Plötzlich bemerke ich eine ältere Frau im Kira (Landestracht), die unserer Gruppe in immer demselben Abstand folgt. Wenn wir anhalten, um sie vorbeizulassen, versteckt sie sich. Ich rufe Kesang, der zurückbleibt. Durch ihn erfahren wir, dass die alte Frau auf der Suche nach zwei Yaks ist, aber Scheu und Angst vor uns hat, da sie noch nie Europäer gesehen hat. Wir wandern weiter, inmitten der Yaks hinauf zum Passübergang.
Passübergang mit Yaks in Bhutan
Ein spezielles Erlebnis, das anfangs etwas „Herzklopfen“ auslösen kann. Die mächtigen Tiere halten, wie wir auch, gebührend Abstand. Bei ihren Rangkämpfen jedoch geht es laut und wild zu und her. Beim Essen des von den Nomaden abgekauften getrockneten Yakkäses braucht es Geduld… ansonsten bekommt der Zahnarzt Arbeit – und hier ist über Hunderte von Kilometern keiner in Reichweite.
„Ruhe ist in der Natur und in uns…“
Die Abendsonne leuchtet über einem der schönsten Hochtäler Bhutans, das vollkommen baumlos und im Winter die Heimat der seltenen Schwarzhalskraniche ist. Ruhe ist in der Natur und in uns. Unterbrochen wird diese wunderbare Stille nur manchmal vom Abendgebet der Mönche, das aus den Klöstern des Tales aufsteigt.
Auch die Schulkinder sind auf ihrem langen Heimweg. Während der morgigen Wanderung werden wir sie in ihrer Schule besuchen, und sie freuen sich schon sichtlich auf unsere Farb- und Bleistifte.
Die Kinder freuten sich über die Geschenke!
Unser Tempo anderntags ist gemütlich, da wir uns auch im Tal auf 3000 Metern ü.M. bewegen. Das Gangtey-Kloster erhebt sich auf einem Hügel und ist das einzige Nyingmapa-Kloster auf der Westseite der Schwarzen Berge. Die mächtigen Wächter der vier Himmelsrichtungen zieren den Eingang dieses Klosters.
Wir trauen unseren Augen nicht! Im Innenhof, der sonst immer sehr sauber gefegt ist, liegt frischer Yakdung. Ein paar Minuten später löst sich das Rätsel; die Mönche halten eine Puja für die Gesundheit der Yaks ab. Fasziniert lauschen wir den Gebeten und dem Klang der Muschel- und Langhörner, Oboen und den aus menschlichen Oberschenkelknochen gefertigten Trompeten.
Das eindrucksvolle Kloster „Gangtey Bhutan“
Der nächste Tag bringt uns weitere wunderschöne Überraschungen. Eine Gruppe grauer Languren turnt in den Bäumen direkt neben der Strasse. Wir verhalten uns mäuschenstill, um dieses Spektakel möglichst lange zu erleben. Kurze Zeit später ein Freudenschrei von Kesang; der schneebedeckte heilige Berg Jhomolhari an der Grenze zu Tibet ist in voller Pracht zu sehen. Er ist der Wohnsitz der Göttin Jhomo, und sein Gipfel ist geschützt. Was für eine Freude für uns alle, welch ein glückbringendes Zeichen!
Auf den letzten Teil der Wanderung sind wir nicht mehr alleine unterwegs, doch der Anblick des „Tigernestes“ oder Klosters Taktshang, am Felsvorsprung 800 Meter über dem Parotal thronend, ist und bleibt unvergesslich. Bhutan – ein bezaubernd geheimnisvolles und einzigartiges Land!
Wandern in Bhutan:
Ruths Lieblingswanderung startet östlich des Pele-La-Passes und endet im Phobjika Valley, nahe des Gangtey Klosters.
Der Schweizer Wanderspezialist Baumeler Reisen hat eine rund 2-wöchige geführte Bhutan-Wanderreise im Angebot.
Die Expertin:
Ruth Pool ist im Thurgau aufgewachsen und wohnt mittlerweile im Engadin. Die erfahrene und vielseitig ‚bewanderte‘ Baumeler-Reiseleiterin interessiert sich für Sport (Nordic Walking, Wandern, Biken usw.), Natur, Kultur und Geschichte. Weitere Infos zu den Reisen, die Ruth begleitet, finden sich unter diesem Link.