Spreewald – Mehr als saure Gurken
Kurz nach der Wende war ich das erste Mal im Spreewald. Wirklich erinnern konnte ich mich nicht mehr an diesen Besuch. Da kam der Vorschlag meiner Mutter für eine herbstliche Kurzreise in den Südosten von Brandenburg, in die von Sorben geprägte Kulturlandschaft, gerade gelegen. Und um es vorwegzunehmen – nein, man muss kein Fan von Gewürzgurken sein, um hier eine schöne Zeit zu erleben. Meine Tipps für ein Wochenende:
Durch die Flussverzweigungen der Spree schippern
Ganz klar: Wer in den Spreewald fährt und keine Kahnfahrt macht, hat das Wichtigste verpasst. Denn der Spreewald, auf niedersorbisch Błota (die Sümpfe), ist ein ausgedehntes Niederungsgebiet. Das Hauptmerkmal der Region ist die natürliche Flusslaufverzweigung der Spree, die durch angelegte Kanäle noch deutlich erweitert wurde. Als Auen-und Moorlandschaft besitzt sie für den Naturschutz eine überregionale Bedeutung und ist auch als Biosphärenreservat geschützt.
Und so schippert man bei einer gemütlichen Kahnfahrt durch die Lagunenstadt im Miniformat, durch die sich feingliedrige Wasserarme, sogenannte „Fließen“, ziehen. Entstanden sind sie durch die Gletscherschmelze mit Ende der letzten Eiszeit. Auf der Fahrt kann man die berühmten Heuschober (heute meist nur noch Dekoration) am Uferrand beobachten, bei Glück auch heimische Tiere wie den Eisvogel entdecken und natürlich die vielen liebevoll gestalteten Wohnhäuser der Bewohner des Spreewaldes bestaunen. Ja selbst die Müllabfuhr, Post und Feuerwehr gehen ihren Pflichten hier auf dem Wasserweg nach. Wer selbst sportlich aktiv werden möchte, kann sich auch Kanus ausleihen.
Einer der Heuschober in voller Pracht
Man könnte jetzt meinen, dass solch eine Fahrt nur bei schönem Wetter möglich wäre, aber der Tourismus hat sich etwas einfallen lassen und bietet auch Winterkahnfahrten mit Wolldecken und Glühwein an. Der Fährmann erwartet die Gäste dann zu einer Rundfahrt durch den im Winterschlaf liegenden Spreewald. Entlaubte Wälder geben tiefe Einblicke frei und es herrscht himmlische Ruhe.
Am 1. und 2. Adventswochenende kann man dann mit dem Kahn auch zu zwei Weihnachtsmärkten schippern. Von der Hafenwacht im großen Spreewaldhafen Lübbenau mit Räucherfisch, Weihnachtsplinsen, steifem Grog und Glühwein führt die winterliche Kahnfahrt direkt in das Freiland-Museum Lehde zu „Weihnachten wie es früher war“.
Der traditionelle Drehbaum, das Backen, Kochen, die Spinte (beim Spinnen tauschten die Frauen früher Geschichten aus) und der Blick in die weihnachtlichen Stuben, die Spreewälder „Geschenkebringer“ das Bescherkind und der Rumpodich – so sah Weihnachten vor etwa 150 Jahren im Spreewald aus. Mehr unter www.spreewaldweihnacht.de
Überall kleine Brücken
Spreewald wie im 19. Jahrhundert
Apropos Freiland-Museum in Lehde – dieses sowie das Spreewald-Museum in Lübbenau sind in jedem Fall einen Besuch wert. In Lübbenau kann man eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert antreten und in verschiedenen Räumen des Museums eine Spreewaldstadt vor etwa 150 Jahren erleben: Ob Kaufmannsladen, Kürschnerei, Schuhmacher, Leinweber oder Konfektionsladen – überall kann man im wahrsten Sinne des Wortes hinter die Kulissen schauen und anfassen.
Im Kaufmannsladen darf man sich auch eine süße Nascherei aussuchen ;). Im zweiten Teil des Museums geht es dann zur historischen Spreewaldbahn. Bis ins 19. Jahrhundert war der Spreewald abgelegen und viele kleine Orte nur auf dem Wasserweg zu erreichen.
Alter Kaufmannsladen im Spreewald Museum
Die Eisenbahn erschloss die Region dann ganz neu. Vor Ort steht die originale Dampflok 995703 sowie ein Personen-und Packwagon aus dem Jahr 1897, in dem man hautnah erfühlen kann, wie es sich einst so in der Holzklasse saß – nicht nur etwas für Technikfans.
Wen eher das ländliche Leben interessiert, der ist in Lehde gut aufgehoben. Die Zeitreise ins 19. und 20. Jahrhundert kann bereits mit einer Kahnfahrt beginnen, wenn man möchte, denn direkt vor dem Museum ist ein Steg, an dem man anlegen kann. Die einfachen Holzboote sind bis heute das wichtigste Fortbewegungsmittel im Dorf, das nur 150 Einwohner zählt.
Vor dem Eingang befindet sich auch immer ein kleiner Markt mit der typischen Keramikkunst der Region – ganz nette Mitbringsel. Hat man den Eingang passiert, wird man auch gleich standesgemäß in typischer Spreewälder Tracht begrüßt. Im Anschluss kann man durch die vier historischen Bauernhöfe und Ställe schlendern, die aus den verschiedenen Regionen des Spreewaldes, wie Burg oder Lehde stammen.
Traditionelle Kleidung aus dem Spreewald
Man erfährt hier Spannendes über den Kahnbau, das Leben einer Spreewälder Familie um die Jahrhundertwende oder das historische Handwerk. Die Holzpantinen oder der Reisigbesen vor der Tür, die gewaschene Wäsche auf der Leine, die gedeckten Tische in der Stube: Das mit vielen Details gestaltete Gelände wirkt so, als wäre der Knecht oder die Magd nur mal kurz weggegangen. Und auch hier hat man auf „interaktives Mitmachen“ gesetzt, so dass es immer wieder Stellen gibt, an denen man sein Geschick selbst ausprobieren kann – wie etwa am Waschplatz, wo man mit Seife und Waschbrett schrubben muss oder im Kuhstall, wo man eine Kuhattrappe melken darf (ganz schön anstrengend!). Wer eine Pause davon braucht, kann im Heubett träumen – Achtung nichts für Allergiker 😉
Krahn vor dem Freilichtmuseum Lehde
Schwimmen mit Pinguinen
Naja, fast – aber so etwas haben wir nicht einmal in Berlin, daher musste ich es unbedingt ausprobieren. Im Spreewelten-Bad kann man im beheizten Außenbecken echte Pinguine beim Schwimmen begutachten. Paul, Tilly und Co. sind durch eine Glasscheibe vom Schwimmbecken getrennt, aber mit einer Taucherbrille wirken die Frackträger unter Wasser ganz nah.
In regelmäßigen Abständen gibt es auch eine Fütterung, die man entweder entspannt aus dem beheizten Becken von unten oder aber bequem von einer höhergelegenen Brücke aus begutachten kann. Dabei wird einem auch die ein oder andere Anekdote über die Schwimmbadbewohner und interessante Fakten zu Kaiserpinguinen erzählt – Lehrstunde einmal anders.
Das Bad an sich ist nicht außergewöhnlich und unterscheidet sich wenig von anderen Spaß-und Freizeitbädern – es hat verschiedene Angebote, wie Wellenbad, einen Strömungskanal oder zum Beispiel ein Sole-Thermalbad. Speziell ist vielleicht noch das Saunadorf mit vierzehn verschiedenen Themensaunen wie einer Gurkensauna oder etwa einem Spreewälder Saunastall, die aber extra kostet. Aber allein wegen der Pinguine lohnt ein Besuch.
Wir waren mit einer Zwei-Stunden-Karte für elf Euro pro Person vor Ort, die völlig ausreicht. Für Familien ist mit Sicherheit eine Tageskarte sinnvoll.
Hier der Lageplan der Spreewelten.
Ein Exkurs zu den Gewürzgurken
Ich muss gestehen, dass ich das ganze Wochenende fast ausschließlich Quark mit Kartoffeln, Leinöl und Zwiebeln verspeist habe, aber natürlich ist die Region vor allem für ihre Gewürzgurken, aber auch verschiedenen Fischgerichte wie Hecht in Spreewaldsoße, bekannt.
So manches Gericht erhält durch den Spreewälder Meerrettich und die Spreewälder Gewürzgurken erst seinen pikanten Geschmack. Die Spreewälder brachten es im Gurkeneinlegen schon um 1750 zu großer Meisterschaft, sodass Friedrich der Große aus dem damals sächsischen Oberspreewald Gurkeneinleger nach Preußen abwerben wollte. Mit raffinierten Rezepturen versuchten sich die Einlegereien gegenseitig zu übertrumpfen. Frische Kräuter wie Dill, Zwiebeln und auch Senfkörner gehören auf jeden Fall dazu, die weiteren Zutaten bleiben gut gehütete Geheimnisse. Die Rezepte werden von Generation zu Generation vermittelt und sorgen so bis heute für den einzigartigen Geschmack der Gurken.
Übernachtungstipps Spreewald
Wer auch im Spreewald nicht auf das Flair eines Boutique-Hotels verzichten möchte, ist sicher gut mit dem Strandhaus Boutiqueresort & Spa beraten. Es ist im beschaulichen Lübben gelegen, in direkter Nachbarschaft zu den Marktständen. Wo schon 1930 das Strandcafé stand, wurde 2012 unter nachhaltigen Aspekten renoviert und das Hotel hinzu gebaut. Das ehemalige Strandcafé ist jetzt ein offen gestaltetes Veranda-Restaurant mit großer Sonnenterrasse.
Wer weniger Wert auf Design legt, aber es gemütlich mag, dem kann ich das Hotel Spreeblick in Lübben empfehlen. Es ist ein familiengeführtes Hotel mit eigenem Restaurant sowie einem Wellnessbereich, der sich für die Größe des Hotels sehen lassen kann. Die Inhaber kümmern sich wirklich um jeden Gast persönlich und kommen morgens an den Frühstückstisch, um sich nach dem Befinden zu erkunden – heutzutage fast schon eine Rarität.
Der Ausblick aus dem Hotelzimmer.
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