Prag für Einsteiger: Drei lohnenswerte Touren
Wie aus dem Nichts taucht die Landebahn unter dichten Nebelschwaden auf, doch die Maschine rollt in Prag überraschend sanft zu Boden. Die Wiesen sind an diesem frühen Dezember-Morgen mit Frost bedeckt, die weissen Leuchtbuchstaben „Václav Havel Airport Prague“ fügen sich fast schon nahtlos in den winterlichen Ausblick aus dem Flugzeugfenster ein.
Mit Bus 119 fahre ich bis Endstation Nádrazí Veleslavín, wo eine ungewöhnlich steile und rasante Rolltreppe dreimal so schnell in den Untergrund führt, wie es die EU erlaubt. Solche Rolltreppen seien ein Überbleibsel aus sowjetischer Produktion und müssten nun ausnahmslos ersetzt werden, erzählt die Stadtführerin später.
Metrolinie B passiert die Station Andèl, von der das „angelo by Vienna House Prague“ nur ein paar Schritte entfernt liegt. Das Hotel im Stadtbezirk Smichov ist eines von insgesamt fünf Häusern in Tschechien, die zur österreichischen Hotelgruppe „Vienna House“ gehören.
Die gemütliche Jazz-Bar im Hotel angelo by Vienna House im Stadtbezirk Smichov. (© Vienna House )
Bereits in der Lobby, wo sich die angesagte Jazz-Bar befindet, überrascht das Viersterne-Etablissement mit einer Einrichtung in sonnigen Farben, die einen wohligen Kontrast zu den frostigen Temperaturen auf der Strasse bilden. Beim Aufwärmen hilft der hausgebrannte Marillenschnaps mit Heidelbeeren, „ein beliebtes tschechisches Jagdgetränk und reich an Antioxidantien“. In diesem Sinne: „Na Zdraví“! (auf die Gesundheit)
Tour 1: Hop-on-Hop-off mit Tram Nr. 22 – Mala Strana und das jüdische Viertel
Tram Nr. 22 ist als günstige Sightseeing-Alternative stadtbekannt, denn es fährt einmal quer durch Prag, vorbei an zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Die Tickets gelten jeweils für alle öffentlichen Verkehrsmittel (also auch für Bus und Metro) und müssen zu Beginn der Reise entwertet werden.
Kontrolleure in Prag kennen kein Pardon, heisst es. Für unbeschwertes Hop-on-Hop-off empfiehlt sich daher der Kauf eines 24-Stunden- oder 3-Tages-Tickets zum Preis von 110 CZK bzw. 310 CZK (ca. 4.40 bzw. 12.40 CHF / 4 bzw. 11.50 EUR, im Hotel oder Touristenbüro erhältlich).
Aussteigen lohnt sich an vielen Ecken: Naturliebhaber und Heiratswillige kommen beispielsweise auf dem Petrin Hügel (Haltestelle Ujezd) auf ihre Kosten. Letzteren wird insbesondere am 1. Mai ein Besuch ans Herz gelegt: Denn wer seinen Partner an diesem Tag vor dem Denkmal des Poeten Karel Hynek Mácha küsst, soll innerhalb Jahresfrist vor den Altar treten. Diesem Ritual folgen noch heute Paare aus dem ganzen Land.
Ein weiterer beliebter Treffpunkt ist der „Prager Eiffelturm“, zuoberst auf dem Hügel, der zu Fuss oder per Seilbahn erreichbar ist. Wer die Wendeltreppe mit 299 Stufen zur Aussichtsplattform erklimmt (der Lift ist nicht immer in Betrieb), wird mit einem wunderbaren Panorama über die Stadt belohnt.
Aussicht vom Kloster Smichov über die Goldene Stadt
Einige der vielen historischen Turmspitzen und Kuppeldächer sind mit vergoldeten Elementen verziert, und wenn diese im Sonnenlicht funkeln, wird klar, weshalb die Goldene Stadt ihren Beinamen trägt. Entstanden sein soll der Begriff allerdings bereits im Mittelalter zu Zeiten Karl IV., als viele Häuser glänzende Kupferdächer trugen.
Einen tieferen Einblick in die Geschichte erhält, wer das 22er-Tram an der Station Proholerec verlässt und vom altehrwürdigen Kloster Strahov bergabwärts durch die pittoresken Gassen von Novy Svet rund um die Prager Burg spaziert. Überreste der einstigen Stadtmauer, barocke Häuser sowie der einst bedeutende Wallfahrtsort „Prager Loreto“ zeugen von einer bewegten Vergangenheit.
Strassenstände und Cafés locken mit Wurstwaren, böhmischen Liwanzen (dicke Pfannkuchen), dem slowenischen Ringelgebäck Trdelnik und heisser „Prager Schokolade“, die unverdünnt und so dickflüssig serviert wird, dass der Löffel idealerweise stehen bleibt.
Am Ufer der Moldau angekommen, begleiten uns Dutzende von Möwen und der Svaty Mikulás (Samichlaus), der in Tschechien traditionsgemäss von einem Engel und einem Teufel begleitet wird, über die Brücke. Hier bildet das jüdische Viertel mit seinen fünf Synagogen und dem grössten jüdischen Friedhof Europas, auf dem rund 200‘000 Menschen in bis zu zwölf Gräberschichten übereinander liegen, einen eindrücklichen Schlusspunkt der Tour.
Tour 2: Die Kampa-Halbinsel und das Venedig von Prag
Der friedliche Kampa-Park ist ein ideales Ausflugsziel für Picknicker, Jogger, Spaziergänger und Kunstinteressierte. Rund um das Museum im Park finden sich drei der bizarrgesichtigen Bronzebabies „Hadanka“ des bekannten tschechischen Aktionskünstlers David Cerny, der mit seinen ironischen Werken immer wieder provoziert und zum Nachdenken anregt.
Wenige Meter entfernt ragen aktuell 34 gelbe Pinguine der italienischen Künstlergruppe „Cracking Art Group“ kerzengerade aus der Moldau und bilden mit dem Nationaltheater im Hintergrund ein beliebtes Fotosujet. Via «Na Kampe», einem von Häusern im Barock- und Rokoko-Stil gesäumten Platz, erreichen wir über eine Treppe die renommierte Karlsbrücke.
Kunstinstallationen auf der Kampa-Halbinsel.
Trotz der tiefen Dezember-Temperaturen herrscht hier lebhaftes Treiben: Maler und Strassenkünstler buhlen um die Aufmerksamkeit von Touristen aus aller Welt, konkurrieren mit Denkmälern und dem kitschig-schönen Moldaublick. Dem Rat eines Einheimischen folgend, berühre ich das goldige Haupt von Johannes Nepomuk. Der später heilig gesprochene Priester soll 1393 aus Eifersucht von Vaclav, dem cholerischen Sohn Kaiser Karl IV., in die Moldau gestürzt worden sein, was in einem Abbild dargestellt wird. Möge mein Wunsch nun wie versprochen in Erfüllung gehen.
Auf der Karlsbrücke bestaunen Touristen aus aller Welt die historischen Denkmäler.
Nächste Station ist das Karlsbrücke-Museum, genauer gesagt das behagliche Barock-Café neben der Ausstellung, die sich ausführlich dem Leben des Kaisers sowie dem Brückenbau widmet und fleissig von Schulklassen frequentiert wird. Ein Gläschen des exklusiv hier erhältlichen „John Nepomuk Elixier of eternal youth and health“, mobilisiert meine Kräfte für die bevorstehende Schifffahrt über die Moldau und durch den Teufelsbach mit seinen mittelalterlichen Mühlen. Die Anlegestelle der „Prager Venedig GmbH“ befindet sich direkt neben dem Museum.
Bootstour durch das Prager Venedig – über die Moldau zum Teufelbach und zurück.
Tour 3: Auf den Spuren von Alchemisten und Astronomen
Mit Rudolph II. gibt es einen weiteren Kaiser, über dessen Name wohl jeder Prag-Besucher früher oder später stolpern wird. Der Habsburger, der seine Residenz 1583 nach Prag verlegte, war anscheinend kein grosser Herrscher, aber Künstlern und insbesondere Alchemisten äusserst zugetan. Diese beschäftigten sich mit der Suche nach dem Stein der Weisen, wollten unedle Metalle zu Gold wandeln und das Elixier der ewigen Jugend finden.
Oft spielte auch die Astrologie eine Rolle in ihrem Tun und bald war das rudolfinische Prag ein Hotspot für Naturphilosophen, Wissenschaftler und Astronomen – aber auch für Magier und Gaukler, wie Filip Jan Zvolsky lebhaft erzählt. Der Theaterwissenschaftler führt uns durch das Goldene Gässchen, wo die Naturphilosophen gewirkt haben sollen und später auch Frank Kafka lebte. Die neugierigen Blicke der Passanten scheint Zvolsky gewohnt.
Der Gründer des „Museum der Prager Legenden und Gespenster“ trägt die typische Kutte eines Alchemisten und spielt seine heutige Rolle trotz beissender Kälte mit vollem Einsatz. Unterwegs in den verwinkelten Gassen der Prager Altstadt begegnen wir einer armen Kirchenfrau, einem Wassermann aus der Moldau, wir lauschen gebannt den unzähligen Mythen und Sagen der Stadt: „Vergoldet wurde Prag durch den Stein der Weisen, der in einem der hundert Türme zur Welt gebracht wurde“…
In einigen dieser hundert Türme sind die Spuren aus der rudolfinischen Blütezeit noch heute erlebbar. Beispielsweise im Kelly-Turm, wo sich das geheimnisvolle Laboratorium des Alchemisten Edward Kelley befindet, oder im Astronomischen Turm des Klementinum. Die ehemalige Jesuitenschule, in der auch Albert Einstein unterrichtete, beherbergt heute die tschechische Nationalbibliothek. Interessanter als die neuen Bücher sind jedoch die uralten, welche die Jesuiten teils vom Kaiser geschenkt erhielten, teils selber produzierten.
Der barocke Bibliothekssaal aus dem Jahre 1722 lässt sich auf einer Führung besichtigen: Tausende Werke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert sind hier mit Vorhängen gegen Licht geschützt aufbewahrt. Nicht nur der Anblick, auch der Geruch der alten Bücher ist überwältigend. Damit das hier vorhandene Wissen nicht verloren geht, läuft zurzeit ein vierjähriges Digitalisierungsprojekt, das von Google organisiert und von der EU finanziert wird. Ein paar Treppenstufen weiter oben befindet sich der astronomische Beobachtungsposten des Mathematikers und Physikers Joseph Stepling, dessen Messungen zum Teil bis heute fortgeführt werden. Beim Anblick der „Kamera obscura“ wird die Zeit augenblicklich zurück gedreht und man kann sich bildhaft vorstellen, wie die Forscher stundenlange die Höhe der Sterne über dem Horizont bestimmten. Selbst wir können uns kaum vom 360°-Panorama abwenden, das sich von diesem Turm aus auftut.
Ein grosses Travelistas-Dankeschön gilt der Tschechischen Zentrale für Tourismus CzechTourism, der Vienna House Gruppe und dem angelo by Vienna House Prague für das Ermöglichen dieser eindrucksvollen Reise.