Reise-Ombudsman Franco V. Muff: „Zürich bleibt Schweizermeister“

Reise-Ombudsman Franco V. Muff: „Zürich bleibt Schweizermeister“

Über zehn Jahre hat Franco V. Muff bei Konflikten zwischen Konsumenten und Reiseanbietern vermittelt. Jetzt geht er in Pension. Travelista Vanessa hat ihn zum Gespräch getroffen: über kuriose Fälle, Veränderungen in der Reisebranche und persönliche Ferienpläne. 

Franco V. Muff im Porträt
Er schlichtet zwischen Konsumenten und Reiseanbietern: Franco V. Muff, Ombudsman der Schweizer Reisebranche.

Schon bald sind Sommerferien. Läuft in den buchungsstarken Wochen der Draht zur Ombudsman-Hotline besonders heiss?

Franco V. Muff: Nein, das kann ich nicht sagen. Die ersten Monate dieses Jahres zeigten sich bei uns ruhig, die Anfragen sind auf tiefem Niveau. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass wir meist erst nach der Reise kontaktiert werden. Vorher kann das der Fall sein, wenn es bei der Buchung Probleme gibt, was zum Glück nicht allzu oft vorkommt wie es scheint.

Wann ist beim Ombudsman der jährliche Peak betreffend Schlichtungsanfragen?

Es gibt keinen generellen Peak. Unsere Arbeit wird beeinflusst von aktuellen Geschehnissen, welche kurzfristig einen solchen verursachen können. Normalerweise rechnen wir aber damit, dass die Anfragen jeweils einen Monat nach den Sommer- und Herbstferien anziehen.

Wenn Sie auf die letzten elf Jahre zurückblicken – was hat sich über die Zeit am stärksten verändert?

Wir spüren immer mehr, dass die Anfragen zu ursprünglichen Pauschalreisen abnehmen. Dynamic Packaging hat einen grossen Einfluss auf die Branche und gleichzeitig auch Auswirkung auf uns. Die Veranstalter müssen gelegentlich feststellen, dass diese neue Buchungsvariante Licht und Schatten hat.

Für die Konsumenten ist es bei Reklamationen wenig verständlich, dass Anbieter manchmal gebuchte Hotels nicht oder kaum kennen. Dies kann so weit führen, dass sich die Reisenden fragen, wie sinnvoll für sie solche Buchungen noch sind, wenn Informationen zu den Hotels falsch oder unvollständig sind.

Immerhin können wir den Konsumentinnen und Konsumenten nach wie vor die Vorteile der Buchung einer Pauschalreise über einen Veranstalter oder ein Reisebüro erläutern. 

Wie haben sich die Fälle im Bereich Online-Bucher entwickelt?

Anfragen von Konsumenten, welche selbst im Netz gebucht haben, sind in den letzten Jahren zahlreicher geworden. Es zeigt sich neuerdings aber auch, dass dies die Konsumenten jetzt besser machen, was heisst, dass es viel weniger Buchungsfehler mit falschen Eingaben gibt als vor einigen Jahren.

Airlines stehen auch verstärkt in der Kritik …

Es ist auch bei uns so, dass das Thema „Airlines“ enorm an Gewicht gewonnen hat, wobei dies uns bekanntlich nicht immer Arbeit beschert, wir aber dennoch mit Erwartungen angeschrieben werden.

Bei vielen Schlichtungsfällen geht es um Airlines. Foto_Unsplash_Artturi Jalli
Bei vielen Schlichtungsfällen geht es um Airlines. Foto_Unsplash_Artturi Jalli

Wenn Sie eine Rangliste erstellen müssten: Über welche drei Themen beklagen sich die Konsumenten am häufigsten?

An der Spitze stehen Pauschalreisen, gleich anschliessend geht es um Probleme mit Airlines. Auf Rang drei sind die Anfragen zu Internetbuchungen. Im ersten Fall geht es insgesamt um Probleme mit der Pauschalreise, grösstenteils im gewählten Hotel. Bei den Airlines geht es um Flugplanänderungen und Annullationen. Zudem sehr oft um das Gepäck, welches entweder zu spät an der Destination eintrifft oder gar verschwindet. Bei den Buchungen im Internet sind die Kritikpunkte zahlreich, sei es das Verhalten des Anbieters oder der Plattform oder auch Fehlentscheide bzw. Falschinterpretationen der Kunden.

So sieht es auch diesen Sommer an vielen Stränden aus. Foto_ Unsplash_Tommaso Cantelli
So sieht es auch diesen Sommer an vielen Stränden aus. Foto_ Unsplash_Tommaso Cantelli

Gibt es Beschwerden, die Sie als typisch schweizerisch bezeichnen würden?

Wir Schweizer nehmen es in der Regel ziemlich genau. Das sieht man immer wieder bei Reklamationen. Wenn beispielsweise in einem Hotel ausgeschriebene Leistungen ausfallen, wird das wenig goutiert. Die Sauberkeit ist immer ein Thema. Das muss nicht nur mit dem Hotelzimmer und dem Reinigungsservice zusammenhängen, kann oft ebenso die Zustände in der Restauration betreffen.

Die Bewohner eines Landes mit einer bedeutenden Uhrenindustrie haben wenig Geduld, wenn es zu Verspätungen oder unerwarteten Wartezeiten kommt.

Gibt es Unterschiede zwischen den Regionen?
Ja. Die lateinische Schweiz zeigt sich oft etwas lockerer, kann sich jedoch gegebenenfalls mehr enervieren und eine sehr hohe Bereitschaft zu langwierigen Verhandlungen zeigen.

Wie viele Fälle behandeln Sie pro Jahr?

In Jahren ohne spezielle Vorkommnisse liegt die Anzahl so zwischen 900 und 1’100. In meinen ersten Jahren bewegten sich die Zahlen um 1’300-1’500, während der Pandemie waren es über 1’900. Die Frage stellt sich, ob die Reisenden weniger reklamieren oder ob die Veranstalter einen Einbezug der Ombudsstelle vermeiden, also vorher eine akzeptable Lösung vorbringen.

Stimmt es, dass Bernerinnen und Berner weniger reklamieren als Zürcher Konsumenten? 
Wer sagt das, eine Bernerin?  Es ist im Grunde einfach. Die Kantone mit der grössten Bevölkerungszahl bringen die meisten Anfragen. Somit kann ich das also bestätigen. Dass es aber Unterschiede zwischen einzelnen Kantonen gibt bezüglich der eingereichten Fälle und der Abwicklung, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Interessant ist, dass Anfragen aus dem Ausland jährlich zunehmen. Allerdings sind die meisten kein Thema für die Ombudsstelle, da wir nicht zuständig sind.

Welcher Kanton führt die Rangliste in Sachen Konflikten an?
Im Vergleich vieler Jahre ist es gegeben, Zürich bleibt Schweizermeister. Anschliessend folgen meist Bern, Genf und Waadt. Im letzten Jahr hatten wir jedoch mehr Anfragen aus dem Ausland als von Bern, erstaunlich! Aus der Romandie erreicht uns die grösste Anzahl an Anfragen, meist aus ländlichen Gebieten.

Welches war der kurioseste Schlichtungsfall?
Es ist überaus schwierig aufgrund der so vielen Fälle einen Favoriten zu benennen. Ich schildere drei Fälle:

  1. In einem Hotel im Süden ist ein Paar auf der Hochzeitsreise. Der wohl etwas spezielle Ehemann ist mit dem Service im Speisesaal zusehends unzufrieden. Es wird immer ungemütlicher und kommt schlussendlich zu einer verbalen Auseinandersetzung und beinahe zu einem Handgemenge, da der Ehemann dem Kellner vorwirft, dieser habe seine Ehefrau bedroht. Wäre wohl das Essen in diesem Hotel so heiss gewesen wie die damalige Stimmung, so hätte sich das frisch vermählte Ehepaar sicherlich die Zungen verbrannt. Der Kellner wurde übrigens entlassen.
  2. Sparsamkeit ist nichts Schlechtes. Wenn jemand jedoch einen Kleintransporter für nur einen Tag mietet und sich die Versicherung spart, schmerzt es ungemein, wenn der Mieter einen Totalschaden verursacht. Da helfen kein Jammern und kein Betteln …
  3. Ein Selbstbucher wollte von Zürich nach Athen reisen. Er hat sich den günstigsten Tarif gesucht und buchte die Strecke Zürich-Amsterdam-Athen hin und zurück. Die lange Reise hatte ihn sehr erschreckt und er wollte die Airline dafür verantwortlich machen, dass eine solche Buchung doch sinnlos wäre und man ihn entschädigen sollte. Er war wohl beim Fach Geografie nicht sehr engagiert in jungen Jahren … Es gäbe noch so viele Fälle, auch traurige.

Welches war ihr schönstes Erlebnis als Ombudsman?
Mein schönstes Erlebnis war es jeweils, wenn ich jemanden zum Recht verhelfen konnte, dessen Reklamation zu Unrecht nicht oder falsch behandelt worden war und der Gang an unsere Stelle für die betroffene Person sozusagen die letzte Hoffnung darstellte. Manchmal war der Auslöser für lange, beharrliche Diskussionen nicht unwesentlich in Rassismus begründet. 

Wie beeinflusst Ihre Arbeit Ihre eigene Reiseplanung und Ihr Reiseverhalten? 
Ich glaube von mir sagen zu dürfen, dass ich in Sachen Reisen ein recht flexibler Mensch bin, was heisst, dass ich mich mit unerwarteten Problemen auf der Reise gut arrangieren kann. Ich gehe also nicht immer davon aus, dass alles reibungslos läuft. 

Touristenmassen drängen sich vor weltberühmten Gemälden in Paris. Foto_Unsplash_Alicia Steels
Touristenmassen drängen sich vor weltberühmten Gemälden in Paris. Foto_Unsplash_Alicia Steels

Ist man als Ombudsman mit grenzenloser Toleranz gesegnet?

Logischerweise hat auch meine Toleranz Grenzen. Ich versuche aber jeweils ruhig in Verhandlung zu einer Lösung zu kommen. Präsent ist bei mir immer, dass ich mir meine Reise nicht durch unerwartete Ereignisse vermiesen lassen will.

Sicherlich bin ich bei der Ferienplanung durch meine Tätigkeit beeinflusst worden. Ich wähle die Leistungsträger vorsichtig aus, plane ausreichende Umsteigezeiten ein und habe alternative Szenarien im Kopf, falls ich kurzfristig umdisponieren müsste.

Grundsätzlich lobe ich nach Möglichkeit Dienstleister bei guter Arbeit, da es mir immer bewusster geworden ist, wie viel Aufwand unter teilweise schwierigen Bedingungen betrieben werden muss. So ist es mir ein Bedürfnis, die gute Arbeit beispielsweise im Bereich Housekeeping oder Restauration verbal und monetär anzuerkennen.

Wie sind Sie überhaupt zu dieser Rolle als Ombudsman gekommen?
Irgendwie hat sich das angebahnt, da ich doch schon früh mein Interesse daran entwickelt hatte, Kundendienstfälle zu bearbeiten. Als ich bei der damaligen Swissair den Einkauf für gewisse Destinationen betreute, musste ich von oberer Stelle einmal einen Rüffel einstecken: „Dafür haben wir eine Schreibstube, sie machen das gefälligst nicht!“

Während meiner vielen Jahre bei verschiedensten Tätigkeiten in der Reisebranche, hat mich das Thema immer wieder eingeholt. So war ich entsprechend aktiv geworden, wenn ein Kundendienst aus meiner Beurteilung schlecht gearbeitet hatte, aber auch wenn ein Kunde zu Unrecht aus einem kleinen Problem ein Schauspiel inszenieren wollte.

Als bei Hotelplan die Leitung des Kundendienstes neu besetzt werden musste, habe ich mich mit grossem Engagement dafür beworben und die Stelle bekommen. Ich habe es nie bereut! Glauben Sie mir, es waren intensive, lehrreiche Jahre im Kundendienst eines grossen Veranstalters, welche mir am Ende den Weg bis zur Ombudsstelle geebnet haben. 

Haben Sie nie Ihre Tätigkeit nie als Belastung empfunden?

Mein Naturell kam oder kommt mir da zur Hilfe. Abgesehen davon gilt es stets zu bedenken, dass ein Kundendienst oder eine Ombudsstelle nicht eigene Fehler korrigieren muss, das ist ein entscheidender Punkt. Die Situation für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin im Reisebüro ist entsprechend brisanter.

Ende Mai treten Sie in den wohlverdienten Ruhestand. Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an diesen neuen Lebensabschnitt denken?
Primär freue ich mich auf die neue Freizeit, welche sich nun einstellen wird. Ich wollte während meiner ganzen Arbeitsphase einmal eine längere Auszeit nehmen, habe das aber nie verwirklichen können. Die zweite Jahreshälfte werde ich entsprechend geniessen; da gibt es bereits schon einige Ideen. Im folgenden Jahr 2025 werde ich schon wieder irgendeine Tätigkeit ins Auge fassen. Es ist aber noch alles offen.

Welchen Rat oder welche Tipps würden Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Ich wünsche ihm die nötige Ausdauer, Geduld und Hartnäckigkeit, die es für diesen Job braucht. Zusätzlich wünsche ich ihm viel Erfolg und Zufriedenheit in der neuen Aufgabe.

Last but not least: Wohin geht’s in die Sommerferien?

Die Sommerferien werden meine Frau und ich in Nordengland verbringen, mindestens einen Monat werden wir dort verweilenWhat a joy!

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