La Guajira – die etwas andere Karibik

La Guajira – die etwas andere Karibik

Wie weit muss man reisen, um ans Ende der Welt zu gelangen? Ich meine, einen Ort gefunden zu haben, der dieser Vorstellung sehr nahe kommt: Cabo de la Vela auf der kolumbianischen Halbinsel La Guajira. Wenn eine Reisedestination sogar der Backpacker-Bibel Lonely Planet noch relativ egal ist (im gesamten 370-seitigen Kolumbien-Reiseführer wird die Region gerade mal auf zwei Doppelseiten erwähnt), dann muss sie noch etwas ganz Besonderes sein – oder doch so uneinladend, dass die meisten Touristen einen Besuch dieser Gegend nicht als lohnenswert ansehen?

Keine tropische Postkartenidylle

Die Gründe, den nördlichsten Festlandpunkt Südamerikas nicht zu besuchen, liegen auf der Hand: Die Landschaft La Guajiras ist rau, karg und windgepeitscht. Tropische Postkartenidylle wie an der restlichen Karibikküste Kolumbiens kann man hier lange suchen. Das Wüstenland ist deshalb sehr dünn besiedelt, und zwar seit Jahrhunderten praktisch ausschliesslich vom indigenen Volk der Wayúu, die über die Halbinsel verstreut in kleinen Siedlungen wohnen. Im Rest Kolumbiens haben die Wayúu nicht den besten Ruf. Sie gelten als sehr eigen und häufig in kriminelle Machenschaften verstrickt. La Guajira ist aufgrund der Grenzlage zu Venezuela als Schmugglergegend berüchtigt. Ortsfremden wird vom Entdecken der Grenzgegend auf eigene Faust dringend abgeraten.

Um kein unnötiges Risiko einzugehen, haben wir deshalb für einmal nichts dem Zufall überlassen. Von anderen Reisenden erhalten wir mehrmals den Tipp der Rancheria Utta, bei der wir schliesslich vier Nächte mit organisierten Ausflügen und Verpflegung buchen. Die Ranch liegt direkt am Meer und umfasst elf kleine, traditionell gebaute Holzhüttchen (Vorsicht, durch die kleinen Ritzen bläst der Wind unbarmherzig Sand hinein).

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Doppel-Bungalow der Rancheria Utta

Ausserdem gibt es eine Gemeinschaftsschlafzone mit Hängematten, ein hübsches Restaurant unter einem Palmendach und einen kleinen Shop, wo traditionelles Handwerk der Wayúu verkauft wird. Die fisch- und meeresfrüchtereichen Gerichte schmecken grösstenteils lecker, obwohl verwöhnten Kulinarikern nach ein paar Tagen die Abwechslung fehlen könnte.

Restaurant der Rancheria Utta mit typischem Gericht: Frischer Fisch, Reis und Patacones (frittierte Kochbananen)

Menschenleere, goldfarbene Strände in La Guajira

Am ersten Abend erhalten wir gleich eine Einführung in die Wayúu-Bräuche, insbesondere die verschiedenen Tanzstile. Mit uns auf der Ranch ist auch eine moderne Schulklasse aus der kolumbianischen Grossstadt Medellin, denen die Wayúu-Kultur wohl bisher genauso fremd war wie uns. Ausserdem lernen wir den deutschen Aussteiger Eto kennen, der mehrere Monate im Jahr auf der Ranch in einer Hängematte lebt und den Gästen Windsurfkurse anbietet. Unser gebuchtes Ausflugsprogramm ist bewusst nicht allzu zeitstraff angesetzt und lässt darum zu, dass wir mit Eto ein paar lehr- und spassreiche Surfstunden verbringen können.

Es wäre auch schade, in dieser verschlafenen Gegend den Tag mit allzu viel Action vollzuladen. Unser Programm beinhaltet Ausflüge zu den schönsten, bisher von den Wayúus geheim gehaltenen, Fleckchen dieser schroffen Landschaft: Menschenleere, goldfarbene Sandstrände (Pilon de Azucar, Ojo de Agua), Hügel und Kliffen mit phänomenalen Aussichtspunkten (Cerro del faro, Cerro Kamachi) und eine wasserspeiende Küsten-Felsformation (los Hoyos sopladores).

Strände „Pilon de Azucar“ und „Ojo de Agua“

Ein Highlight war für mich die Aussicht vom pyramidenförmigen Hügel Cerro Kamachi. Angesichts der endlosen, kaum bewohnten Wüstenlandschaft und der Weite des karibischen Meeres fühlte ich mich dem Ende der Welt so nah wie nie. Und dem hektischen Grossstadtalltag noch nie so fern.

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Aussicht vom Cerro Kamachi

Wie schön es sein kann, ein paar Tage so abgeschieden von der modernen Zivilisation zu verbringen, merkt man spätestens, wenn um 23 Uhr der Stromgenerator ausgeschaltet wird. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viele Sterne gesehen. Der Himmel war so klar, dass sich sogar die Lichter der verhältnismässig kleinen und 60 Kilometer (!) entfernten Stadt Uribia am Horizont verschwommen erahnen liessen. Der Sternenhimmel in der Wüste – ein Erlebnis, das wohl noch immer zu den Highlights eines jeden Weltenbummlers gehört.

Freundlich, zuvorkommend, authentisch

Ist nun der schlechte Ruf dieser Gegend berechtigt? Hier mein persönliches Fazit:

–       Im Gegensatz zu anderen Reisedestinationen drängen sich die Wayúu den Touristen nicht gerade auf, aber sie waren allesamt freundlich, zuvorkommend und dafür auch authentisch.

–       Den Punkt Kriminalität kann man natürlich nach vier Tagen auf von Einheimischen geführten Touren definitiv zu wenig gut beurteilen, aber wir fühlten uns wie überall in Kolumbien sehr sicher. Unsere einzige Begegnung mit der Illegalität war das Schmuggler-Benzin aus dem Ölstaat Venezuela, mit dem wir durch die Gegend chauffiert wurden.

–       Die Rancheria Utta in Cabo de la Vela ist der perfekte Ort, um mal richtig auszuspannen. Die unwirtlichsten Gegenden der Welt müssen sich niemandem aufdrängen. Ihre spezielle Schönheit zu entdecken, gelingt spielend leicht, wenn man sich nur nicht von Vorurteilen abschrecken lässt.

La_Guajira_Tankstelle
„Tankstelle“ in Uribia

La Guajira Sonnenuntergang
Sonnenuntergang am Cerro del faro

Hinkommen und Hoteltipp La Guajira

Die Rancheria Utta ist ohne Ortskenntnisse eines Einheimischen fast unmöglich zu erreichen. Vom nächsten Inlandflughafen Riohacha (angeflogen von Avianca) sind es etwa vier Autostunden an den nördlichen Zipfel Capo de la Vela. Zwei Fahrstunden führen ohne sichtbaren Strassenverlauf durch die karge Wüstenlandschaft.

www.rancheriautta.com

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