Usbekistans laute Züge und stille Örtchen
Usbekistan ist ein Land voller Kultur und unglaublichen historischen Schätzen. Der Registan-Platz in Samarkand, der alte Bazar in Bukhara oder die historische Altstadt von Khiva im Nordosten des Landes sind nur einige der Sehenswürdigkeiten, die das Land zu bieten hat. Aber auch abseits dieser Kulturstätten, hinterlässt das Land unzählige Eindrücke.
Der Registan in Samarkand ist einer der bekanntesten Plätze der Welt.
Unsere Usbekistan-Reise beginnt in der Hauptstadt Tashkent und führt kurz nach Ankunft weiter in die sagenumwobene Stadt Samarkand. Wir haben uns für eine Zugfahrt 1. Klasse entschieden. Im Zug mit dem klingenden Namen „Sharq“ erwartet uns schon die erste Überraschung: Einzelfauteuils in purpurnem Samt und jeder Sitz mit eigenem Bildschirm, über welchen ein Sicherheitsvideo wie im Flugzeug flimmert. „Chapeau“, so der erste Gedanke.
Während der knapp vierstündigen Fahrt wird dann eine Seifenoper gezeigt und aus jedem Sitz scheppert der Ton dazu in voller Lautstärke. Es musst wohl die beliebteste Serie Usbekistans gewesen sein, denn mit Ausnahme von uns starren alle Mitreisenden des gutbesetzten Wagens in die Bildschirme.
In Samarkand empfängt uns unser Fahrer: ein stämmiger Russe namens Igor. Unsere Schnittmenge was die Sprachkenntnisse angeht, ist verschwindend klein, also verständigen wir uns mit Händen und Füssen. So erfahren wir, dass seine Tochter ebenfalls im Tourismus tätig ist. Auf Zypern. Und wer schon einmal da war, der kann sich sicherlich vorstellen, dass die Berufschancen für Russen auf der Sonneninsel deutlich aussichtsreicher sind, als in dem einst zur Sowjetunion gehörenden Usbekistan.
Ein Junge verkauft Wasser am Strassenrand.
„Usbekistan Music?“, frage ich Igor auf dem Weg in den Nordwesten und zeige auf das Kassetten-Gerät. Während ich voller Hoffnung an irgendeine Musikrichtung usbekischen Ursprungs hoffe, drückt Igor den Knopf. Sein Lächeln hätte uns verraten sollen, was uns erwartet.
In ähnlicher Soundqualität wie im Zug und in Düsenjet-Lautstärke brüllt uns Rammstein einen ihrer ersten Hits um die Ohren. Wir bedanken uns für das Experiment und geniessen die Reise fortan ohne Fremdbeschallung.
Pilaw direkt vom Moped-Anhänger.
Nicht alle Lebensmittel vom Markt sind für europäische Mägen geeignet.
Nach einem ab dem Moped-Anhänger servierten Pilaw (traditionelles Reisgericht), zwei Magenverstimmungen (wegen traditionellem Reisgericht vom Moped-Anhänger?) und vielen spannenden Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung erreichen wir schliesslich Moynak im Norden des Landes. Die Stadt lag einst am Südufer des Aralsees und lebte vom Fischfang. Durch die Bewässerung des Landes wurden die Zuflüsse derart beeinträchtigt, dass sich das Wasser seit den 60er Jahren zurückzieht. Heute ist Moynak eine Geisterstadt, die 80km vom Wasser entfernt liegt – einzig die rostigen Schiffe, die unter den Klippen im Sand liegen, zeugen davon, dass es hier einst Wasser gab. Selbst Igor, ist von diesem Anblick in den Bann gezogen – er sieht das Aussmass dieser Umweltkatastrophe zum ersten Mal.
Wo sich einst das Südufer des Aralsees befand, stehen die Schiffe heute im Sand.
Wir fliegen von Nukus aus über die usbekische Wüste zurück nach Tashkent, wo wir eine Bekanntschaft der ganz anderen Art machen. Wir treffen eines Abends den Chef der Agentur, über welche wir die Reise gebucht hatten. Er stammt aus Pakistan, seine Frau ist Deutsche. Um das Tourismusgeschäft, so verrät er uns, kümmert sich seine Frau, für ihn ist es heute mehr ein Hobby.
Seine neue Leidenschaft gilt dem Import von Dusch-WCs – Toiletten mit Wasserstrahl, Fön und allem möglichen anderen Chichi. Stolz führt uns der gestandene Geschäftsmann in seine Privatgemächer und zeigt uns sein stilles Örtchen. In Japan gibt es diese Dusch-WCs zur Wahrung der Privatsphäre übrigens auch mit Musik. Kaum auszudenken, was passiert, wenn man in Usbekistan davon Wind bekommt.