In Schloss Neuschwanstein auf den Spuren des Märchenkönigs…
Schloss Neuschwanstein stand schon immer auf meiner Bucket List. Von Berlin aus viel zu weit, aber ab Zürich als Tagesausflug gut zu machen. Also machen wir uns am Sonntag im Morgengrauen – es ist 7. 30 Uhr – auf den Weg ins drei Stunden entfernte Allgäu. Die Strecke entlang der Deutschen Alpenstraße ist, wenn man erst einmal aus Zürich raus ist, ein Traum. Burgen, Klöster, Seen – eine schöne Route vor imposanter alpiner Szenerie. So cruisen wir ganz gemütlich durch die wie in die Landschaft gezeichneten Straßen mit saftigen Wiesen und grünen Hügeln Richtung Schwangau. Und da steht es hoch oben auf dem Berg: Das Märchenschloss.
Wer waren doch gleich die Wittelsbacher?
Um sich nicht in die Menschentraube aus Asiaten, Russen, Italienern und Amerikanern einreihen zu müssen, haben wir unsere Kombi-Tickets – clever wie wir sind – bereits vorab online reserviert und somit einen festen Zeitplan. Als erster Punkt auf der Liste steht das Museum der Bayerischen Könige, direkt am wirklich idyllischen Alpsee gelegen, mit tollem Ausblick in die umliegende Landschaft und auf die Schlösser. Dort wird die Geschichte des Hauses Wittelsbach von ihren Anfängen bis in die Gegenwart anschaulich erklärt.
Der Fokus liegt natürlich auf König Maximilian II., der Schloss Hohenschwangau zur Sommerresidenz ausbauen ließ, sowie seinem Sohn, König Ludwig II. Gut gemacht, interaktiv aufgebaut. Der kostenlose Audio-Guide reicht völlig aus, um sich einen Eindruck der familiären und geschichtlichen Hintergründe machen zu können. Wer mag, kann natürlich auch eine Führung buchen.
Die „Kinderstube“ Ludwigs II
Mit diesem Wissen machen wir uns zu Fuß auf den Weg nach Schloss Hohenschwangau, dem Elternhaus König Ludwig II. Die einstündige Führung zeigt die wichtigsten Räume und unser Guide macht seine Sache gut; erzählt hier und da ein Anekdötchen. So ziert gleich im ersten Stock der Rollstuhl des Onkels Prinzregent Luitpold von Bayern, der nach dem Tode Ludwig II. regierte, die Ausstellungsräume. Und ein riesiger Pool-Billardtisch ist zu sehen, der aber meist für andere Aktivitäten zweckentfremdet wurde. Die Königsmutter spielte nach dem Souper dort beispielsweise gerne Tisch-Boccia …
Meine Aufmerksamkeit erregen ja vor allem verborgene Türen und Geheimgänge. So auch die versteckten und gut verkleideten Gänge, durch die die Zimmer beheizt wurden. Vorteil für die Blaublüter: Kein Russ im Zimmer. Nachteil für die Dienerschaft: Arbeitsbedingungen unter saunaähnlichen Temperaturen in engen schlauchförmigen Gängen. Als wir in das Wohnzimmer gelangen bleibt ein kleines Mädchen wie angewurzelt stehen und zeigt verdutzt gen Decke: „Mama, guck mal lauter Hühner!“ Nicht ganz, es ist ein Lüster mit Schwänen – dem Leitmotiv, das sich in jeglichen Variationen durch beide Schlösser zieht.
Schloss Neuschwanstein – Disneyland lässt grüßen
Von Schloss Hohenschwangau machen wir uns wieder auf den Weg in den Ort, der sich zusehends mit Touristen füllt. Wir brauchen jetzt eine kleine Stärkung und genehmigen uns diese in einem Take-away: Milchkaffee, Cola und leckere Butterbrezn für 8,70 Euro sind durchaus vertretbar. Gestärkt erklimmen wir dann den Berg zum Schloss Neuschwanstein – ein steiler Aufstieg, der aber im „Stechschritt“ gut zu bewältigen ist. Eine Gruppe Amerikaner die uns entgegenkommt, scheint völlig aus der Puste von der „kleinen Wanderung“, wie man ihrer Konversation entnehmen kann: „We are going to seriously chillax right now!“ Für diese und alle anderen Fußfaulen gibt es selbstverständlich auch einen Busshuttle oder eine Kutschfahrt hinauf, die von asiatischen Touristen scheinbar gerne gebucht wird.
Der erste Eindruck übertrifft meine Vorstellungen und ist wahrlich sehr eindrücklich. Ich verstehe, warum Walt Disney das Gemäuer damals als Vorbild für das Dornröschenschloss in Disneyland auserkoren hat.
Die Führung führt durch verschiedene Räume, wie das Schlaf- und Arbeitszimmer (es verfügte über eines der ersten Telefone Deutschlands) des Königs – ersteres ist mit seinen filigranen Holzschnitzereien- und Intarsien wirklich sehr imposant. Und der Wasserhahn in Schwanenform – kann ich den bitte ab- und zuhause anmontieren?! Überhaupt verfügte das Schloss bereits bei seiner Fertigstellung über eine Reihe technischer Neuerungen, wie Heizung, fließendes Wasser und eine Klingelanlage – war also sehr fortschrittlich. Der Blick aus den verschiedenen Räumen auf die umliegende Landschaft ist beeindruckend. Alles scheint so unberührt und friedlich. Hier kann man sich wahrlich in seinen Gedanken verlieren und zu träumen beginnen …
Wer schon auf der Wartburg bei Eisenach war, wird im Sängersaal ein Déjà-vu erleben. Überhaupt wähnt man sich überall in einer doch leicht verklärten, romantischen Vorstellung des Mittelalters – kein Wunder galten als Vorbilder für Schloss Neuschwanstein ja vor allem die mittelalterlichen Ritterburgen und die Sagenwelt des Mittelalters nach den Kompositionen von Richard Wagner. Besonders beeindruckend finde ich den prunkvollen Thronsaal! Allein der Lüster wiegt eine Tonne. Harald Glööckler und Ludwig II. hätten sich sicher prächtig verstanden 🙂
Am Ende der halbstündigen Führung ist in einem Multimediaraum noch ein Film zur Entstehungsgeschichte des Bauwerks sowie den nicht realisierten Projekten Ludwigs II. zu sehen – gut gemacht und sehr interessant. Hätte Ludwig der II. auch diese Ideen umgesetzt, nicht nur Walt Disney hätte seine helle Freude gehabt. Was übrigens nicht stimmt, sich aber hartnäckig als „Fakt“ im kollektiven Wissen über den König eingenistet hat – Ludwig II. hat keine Steuergelder für den Bau seines Märchenschlosses verwendet. Das Geld bezog er aus seiner Apanage und eigenem Vermögen.
Wahnsinn, dass jährlich rund 1,5 Millionen Menschen den Bau im Stil des Historismus durchwandern. Im Sommer sind es 8000 pro Tag, im Winter „nur“ 2000, wie uns der Guide erklärt. Ob das wohl so im Sinne König Ludwigs II. von Bayern gewesen wäre? Traurig, dass er selbst sein Werk insgesamt nur 172 Tage erleben durfte.
Zünftig Tafeln
Zum Abschluss gönnen wir uns noch ein zünftiges Essen im Hotel Alpenstuben. Das Interior Design sowie die Christoph Daum Gedächtnis-Frisur des Kellners scheinen zwar irgendwo in den 1990er Jahren stehen geblieben zu sein, aber die Schweinshaxe mit Sauerkraut und Knödeln ist eine Wucht. Ganz zu schweigen vom leckeren Kaiserschmarrn mit Apfelmus als süßem Abschluss. So oder so ähnlich hätte der Bayernkönig sicher auch getafelt.
Weitere Tipps:
Fein Dinieren und auch Übernachten kann man im Restaurant Alpenrose am See