4844 Jahre im Nichts – die alten Bäume im Great Basin Nationalpark
Jeder Mensch, so denke ich, hat seine Tagtraumlandschaft. Es ist der Ort, an den er sich hinträumt, wenn Pendenzen und Mails und Kram ihm über Kopf und Kragen wachsen und er nur noch weg sein möchte. Bei mir ist dieser Ort im Westen Nordamerikas – der Great Basin Nationalpark.
Wie das kam, weiss ich nicht. Aber es hat seine Gründe, und diese hatten ihre Wirkung. Schon während dem Studium legte ich einmal alle Bücher zur Seite, packte meinen riesigen Lowe Expedition-Rucksack, und erkundete mit einem Freund und einem uralten Chevy Luv für drei Monate die einsamen Gebirge zwischen Alaska und Kalifornien.
Später arbeitete ich ein Jahr in New Mexico, kurz darauf liess ich alle Sicherungen durchbrennen und verbrachte mit meiner Partnerin beinahe drei Jahre draussen in der Wildnis des Westens, auf Wanderwegen, Trekkingrouten und nachts im kleinen Backpacker-Zelt.
Weites Land. Im Great Basin
Das hat Spuren hinterlassen, und heute habe ich eine ganze Reihe von Seelenlandschaften in mir. Doch eine der magischsten und kräftigsten ist der Great Basin National Park im Osten Nevadas. Das Great Basin selbst ist dabei eine Landschaft, die – in ihrer Einfachheit und wunderschönen Eintönigkeit – eine schlichte Wucht ist.
Wer Spektakel und Attraktionen sucht, ist hier definitiv fehl am Platz. Die U.S. Route 50, zwischen Delta UT und Carson City NV, wird auch Loneliest Road in America genannt, während Stunden und Stunden – es sind immerhin um die 800 Kilometer – führt das Asphaltband schnurstracks durch weite sagebrush-Ebenen und über etwa ein Dutzend mountain ranges.
Unterwegs auf der Loneliest Road in America
Das Great Basin ist die grösste der nordamerikanischen Wüsten und ist mit seinen 520’000 Quadratkilometer mehr als ein Dutzend Mal so gross wie die Schweiz. Im östlichen Teil, nahe der Grenze zu Utah, liegt der Great Basin National Park, und ihn habe ich schon mehrere Male besucht.
Der Grossteil der Great Basin-Wüste besteht aus unendlichen Becken mit niederen Büschen wie sagebrush (Beifussart), saltbush (Graumelde) und greasewood. Etwa zwei Dutzend Bergketten durchziehen das Becken, alle in nord-südlicher Richtung und nebeneinander aufgereiht wie auf einem Waschbrett. Der Great Basin National Park liegt in der Snake Range, die mit dem Wheeler Peak bis auf 3982 Meter steigt.
Unendliche Ebenen, flirrende Bergketten. Im Great Basin
Hier ist man weit weg von den grossen Parks und Destinationen; Las Vegas, Zion, Grand Canyon, sie alle liegen hunderte von Meilen weg, weit hinter dem flimmernden Horizont. Ausserhalb des Parks gibt es kein Touristenzentrum wie es etwa Moab für den Südosten Utahs ist. Einige Meilen vor dem Parkeingang liegt Baker, und mehr als ein paar Dutzend Häuser und Motorhomes, eine Tankstelle und zwei Motels gibt’s hier nicht.
Dauerparkplatz bei Baker
Dafür gibt es im Park eine Natur, die einem wie aus einer anderen Welt vorkommt. Ich kann mich noch gut erinnern an meinen letzten Besuch: Müde und steif sass ich nach einer langen Autofahrt im Upper Lehman Creek Campground hinter dem Steuer meines Mietwagens. Ich stellte den Motor ab, öffnete die Türe und stieg aus. Eine Brise kühlte meine Stirn, vor allem badete ich von einem Moment auf den anderen in einem unvergesslichen Geruch von Pinien. Ich setzte mich auf die Bank beim Campingtisch und genoss einfach die Stille und die Klarheit und die Reinheit dieses Ortes. Es ging nicht lange, da hörte ich ein Rascheln – ein Maultierhirsch äste keine dreissig Meter von mir entfernt zwischen den Büschen.
Maultierhirsch im Lehman Creek Campground
Das Spannendste und Einmaligste für mich im Great Basin National Park sind die Bristlecone pines, die Grannenkiefern. Weit oben am Wheeler Peak wachsen sie, im gröbsten Geröll und in einem ausgesprochen harschen Klima.
Was sie so speziell macht: es sind die ältesten Bäume der Welt. 1964 wurde im Park eine 4844 Jahre alte Grannenkiefer gefällt. (2008 wurde in Schweden übrigens eine Fichte mit fast 10’000 Jahre alten Wurzeln entdeckt. Der oberirdische Teil solcher Fichten wird aber maximal 600 Jahre alt.)
Jahrtausende alte bristlecone pine (Grannenkiefer)
Daneben gibt es im Park noch viel zu entdecken. Ein Wanderweg führt bis auf den Wheeler Peak, andere durchstreifen das backcountry. Einen Besuch wert sind auch die Lehman Caves; sie gehören zu den bekanntesten und schönsten Höhlensystem Nordamerikas.
Wie man in den Great Basin Nationapark kommt und was man dort tun kann:
Lage: Baker am Eingang des Great Basin National Park liegt 370 km südwestlich von Salt Lake City (Highways 6 und 50). Wer in Las Vegas startet, hat 470 km auf dem Highway 93 vor sich.
Unterkunft: Im Nationalpark gibt es fünf campgrounds, drei davon liegen an der asphaltierten Hauptstrasse von Baker zum Fuss des Wheeler Peak. Der Lower Lehman Creek campground (Link) ist das ganze Jahr offen. Zwei Motels in Baker, das grosse The Border Inn (Link) liegt 12 km nordöstlich, an der Grenze zu Utah.
Wanderung zu den 4000-jährigen bristlecone pines: Start dieses beliebten Naturlehrpfades ist beim Wheeler Peak Campground; hin und zurück 9 km, je 180 m Auf- und Abstieg.
Wanderung auf den Wheeler Peak: Startpunkt ist wieder der Wheeler Peak Campground. Der Aufstieg auf den 3982 m hohen Wheeler Peak ist recht anstrengend, auch wegen der grossen Höhe. Für die 14 km Weg (hin und zurück) und die je fast 1000 m Auf- und Abstieg sollte man mit 7 bis 8 Stunden Wanderzeit rechnen. Der Lohn dafür: ein phänomenales Erlebnis in einer der einsamsten Bergketten der Vereinigten Staaten.
Karten:
- Eine einfache, aber übersichtliche Parkkarte gibt es auf der Webseite des Parkes (siehe unten).
- Wanderkarte: Great Basin National Park Map Hiking Map & Guide Map, Earthwalk Press
- Wanderführer: Hiking Great Basin National Park, Bruce Grubbs, Falcon Press, 1998
Infos: Alle Infos zum Park gibt es auf www.nps.gov/grba.
Den Wheeler Peak (rechts, 3982 m) kann man relativ einfach besteigen.
Great Basin National Park
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