Im Schlangennest: Single-Frauen in der Wüste
Von Anneliese aus Bayern sah ich als erstes die hoch in die Luft gestreckten, recht stämmigen Beine. Dabei lernte ich sie nicht etwa in einem Yoga-Workshop kennen, sondern am Treffpunkt für unsere Trekkingreise am Flughafen. Kopfüber lag sie auf einem Wartesessel und versuchte, Aufmerksamkeit zu erregen.
Herta aus Hessen, die zweite Mitreisende, fiel mir durch eine Art Dauerwelle auf, die ich schon seit mindestens 1972 für ausgestorben gehalten hatte. Die Berlinerin Marianne stellte sich als „Gemeindereferentin“ der katholischen Kirche vor und versuchte uns im Laufe der nächsten Wochen zu missionieren.
Dann war da noch das Paar aus Schwaben im Wüsten-Partner-Look. Eine Wienerin, weitgereist und nicht auf den Mund gefallen. Ein 77-jähriger ehemaliger Richter, topfit und sehr gelassen (der einzige Lichtblick). Und zu guter Letzt der algerische Reiseleiter, Objekt der Begierde für die Single-Frauen, die sich in jeder Beziehung viel Aufmerksamkeit von ihm wünschten. Gemeinsam würden wir die nächsten zwei Wochen durch die Sahara trekken.
Generell gelte ich als extrem ausgeglichen, humorvoll und gelassen. Dennoch schaffte es das oben beschriebene Grüppchen, mich im Laufe der Reise komplett auf die Palme zu bringen.
Bayern vs. Berlin
Anneliese und Marianne buhlten um die Alpha-Position und Follower. Die Wienerin wurde geschnitten, seit sie sich in Pole-Position geworfen hatte, um das beste Foto von der Dromedarkarawane zu schiessen, und damit allen anderen das Motiv versaute. Gruppenfotos wurden demonstrativ nur mit einigen Teilnehmern gemacht, niemals mit allen zusammen.
Jetzt geniesse ich meinen Urlaub
Herta aus Hessen war ständig zischelnd unterwegs und versuchte, alle gegen den Reiseleiter aufzuwiegeln. „Der Guide wird es dann schon merken. Dem geben wir kein Trinkgeld!“, meinte sie schon am dritten Tag. Ob sie ihm nicht einfach sagen wollte, was sie störe, fragte ich, damit er die Möglichkeit hätte, sein Verhalten zu ändern? „Nein, jetzt geniesse ich meinen Urlaub!“ war die patzige Antwort. Na, so sah sie aus!
Schlangen in der Wüste
Was für ein Kontrast zu unserer Touareg-Mannschaft: sie waren immer gut gelaunt, nahmen sich gegenseitig auf den Arm und hatten Spass. Obwohl sie nichts von den bayerisch-hessisch-wienerischen Feindseligkeiten verstanden, spürten sie die seltsame Stimmung. Da gäbe es ja diesmal viele Schlangen in der Wüste, meinten sie vielsagend. Am letzten Abend entschuldigte sich der Koch sogar bei der Wienerin für das Verhalten einzelner Gruppenmitglieder. Wie peinlich!
Liegt es an der Weite der Wüste, die zu viel Raum für einen selbst lässt? An der Ansammlung frustrierter Frauen auf Wüstentrips? Oder gibt es diese Hummeldumm-Typen einfach überall? Ich weiss es nicht. Aber morgen geht’s wieder auf Gruppenreise – in den Oman. Mit lauter Männern und nur zwei Frauen – wird sicher lustig!