From Edinburgh with love

From Edinburgh with love

„Gegen eine Erkältung hilft der frisch gepresste Saft einer Flasche Whisky“, scherzt man gerne im Land der Clans und Kilts, wo es in den Wintermonaten durchaus klirrend kalt sein kann. Dem gegenüber steht die Herzenswärme und der Humor der Schotten, die einen Wind und Wetter nicht nur dank Whisky im Nu vergessen lassen. Eine Liebeserklärung an Schottland – und eine Anleitung für den perfekten Weekend-Trip nach Edinburgh.

 

Edinburgh

 

Es gibt Länder, die eine große Sehnsucht in einem wecken, ohne dass man je da war oder erklären kann, woran das liegt. Bei mir entstand diese eine, große Sehnsucht, als ich als Studentin zufällig ein Buch in die Hand bekam und auf einen Sitz verschlang: „Feuer und Stein“ (Original: „Outlander“) spielt in Schottland und erzählt nicht nur eine fesselnde Liebesgeschichte, sondern bringt einem auch die Jakobitenaufstände im 18. Jahrhundert so nahe, dass selbst Geschichtsmuffel wie ich Geschichte spannend finden. Und nicht nur ich: Seit 1991 hat Autorin Diana Gabaldon mehr als 20 Millionen Bücher verkauft. Die Highlandsaga besteht heute aus acht Bänden, seit 2014 gibt’s die Geschichte auch als Serie: Der US-Sender Starz kaufte die Rechte und dreht aktuell die vierte Staffel von „Outlander“.

 

Edinburgh

 

Seit damals weiß ich: Aye, Schottland und ich, das ist Liebe. Es dauerte zwar noch 15 Jahre, bis ich tatsächlich das erste Mal einen Fuß auf schottischen Boden setzen konnte, doch dieser Moment war episch: Die Sehnsucht erfüllte sich nicht nur, sie bestätigte sich auch: Schottland ist jenes Land, das ich seither am liebsten bereise. Ob Loch (See) oder Glen (Tal), Muir (Meer) oder tràigh (Strand): Das Land ist unfassbar vielseitig, bringt einen an jeder Ecke zum Staunen und punktet vor allem mit einzigartigen Bewohnern: Seit ich zum ersten Mal da war, weiß ich: Schotten sind wie Briten, nur mit Humor.

In keinem anderen Land begegnete ich mehr schrägen Gestalten und trockenem Witz, nirgendwo anders hatte ich mehr Spaß als Solo-Traveler, wenn ich alleine in ein Pub ging, um eine halbe Stunde später von ein paar Highlandjungs eine Einführung in den korrekten Whisky-Genuss zu bekommen (Ohne Eis! Ohne Wasser! Ein schottisches Sprichwort lautet: „Es gibt zwei Dinge, die ein Highlander nackt mag, und eine davon ist Malt Whisky“). Ich meine: Wie kann man ein Land, in dem Roggen als unfertiger Whisky gilt und das mit einer völligen Selbstverständlichkeit Marsriegel frittiert, nicht mögen?

 

 

Ja, die Highlands sind ein Kapitel für sich (das ich gerne an anderer Stelle öffne). Die Gegend ist so divers, dass man viel Zeit braucht, um sie zu erkunden. Für Schottland-Neulinge ist deshalb ein City-Trip nach Edinburgh der perfekte Start, um dieses großartige Land kennenzulernen. Wo London groß, überfüllt und vor allem überlaufen ist, ist die kleine Schwester in Schottland kompakt, nahbar und vor allem abseits der Hauptsaison im Sommer nicht voller Touristen.

Das merkt man schon am Flughafen: Die einzige Straßenbahn Edinburghs führt in gerade mal 20 Minuten direkt vom Airport in die Stadt, wo man beim Aussteigen die erste Dosis Schottland abkriegt: Über der Princes Street, die die Old Town und die New Town voneinander trennt, ziehen Möwen ihre Kreise, und garantiert steht irgendwo ein Schotte im Kilt und spielt eine wehmütige Melodie auf seinem Dudelsack. Fàilte – willkommen!

 

 

 

Steht man in der Princes Street, hat man den perfekten Überblick über die Stadt. Auf der einen Seite die Old Town und die Princes Street Gardens mit dem Edinburgh Castle, das auf 120 Metern auf einem 340 Millionen Jahre alten Vulkankegel thront; auf der anderen Seite die New Town, die im Gegensatz dazu erst 250 Jahre alt ist.

Wie Rom wurde Edinburgh auf sieben Hügeln gebaut, Historiker können allerdings bis heute nicht genau sagen, welche die sieben originalen Hügel sind. Der bekannteste gilt heute jedenfalls als schönster Aussichtspunkt über die Stadt: Arthur’s Seat ist ein historischer Vulkan von vor über 350 Millionen Jahren, der Aufstieg plus Wanderung kann um die zwei Stunden dauern. Die Alternative führt auf den nächsten Hügel, den Calton Hill: Der liegt in der Stadt und der Weg nach oben dauert nur 15 Minuten.

 

 

Obwohl die Old Town ein Touristenmagnet ist, zieht es mich immer zuerst in die Royal Mile. Hier wird zwar stark mit schottischen Klischees gespielt und es gibt fast mehr Dudelsackspieler als Möwen, die Stimmung ist aber eine besondere. Eigentlich trägt die Straße den typisch britischen Namen High Street, doch weil sie genau eine schottische Meile lang ist – nämlich 1,852 Kilometer –, erhielt sie den Namen Royal Mile. Hier oben und in den Seitengassen reihen sich Whiskyshops und Pubs an Cafés und Touristenläden, doch blendet man den Wirbel aus, kann man die Geschichte der Stadt spüren.

Vor allem in den pittoresken Closes, wie das Labyrinth an alten und engen Gassen hier genannt wird. Manche führen ins Nichts, andere verbinden nicht mal einen Meter breit und wahnsinnig steil zwei Straßenzüge miteinander. Nirgendwo anders kann man ein besseres Gefühl für die Stadt bekommen, als wenn man die Closes erkundet und sich rettungslos verirrt. Besonders nachts erlebt man ein Abenteuer, zum Beispiel bei der Tour „Ghosts & Ghouls“ (täglich um 20 Uhr, Tickets über www.mercattours.com, £ 15, ca. € 20,50), wo man sich auf die Spurensuche des früher gruseligen Edinburghs macht.

 

Shopping in Edinburgh

Nach der historischen Altstadt spaziere ich immer hinunter in die New Town und gehe auf Shoppingtour. In der Princes Street und der George Street finden sich viele Trendlabels. Für Klamotten schaue ich am liebsten zu „All Saints“ (99B Princes Street) und „Anthropologie“ (39-41 George Street), liebevollen Krimskrams finde ich bei „Bonkers“ (54 Hanover Street) und „Oliver Bonas“ (45A Hanover Street). Ein Muss für Edinburgh-Neulinge ist das Traditionskaufhaus „Jenners“ (48 Princes Street), quasi das „Harrods“ von Edinburgh mit mehr als 100 Designshops (und einer tollen Foodabteilung im Keller!).

Ganz in der Nähe ist auch der Tempel für Edel-Kilts: „21st Century Kilts“ (48 Thistle Street). Schon 1999 stellte Howie Nicholsby seine modernen Kilts auf der London Fashion Week vor. Sein berühmtester Kunde? Robbie Williams. Wer einen Kilt übrigens Rock nennt, outet sich als Tourist. Denn was wir als Schottenrock bezeichnen, meint in Schottland einen „kilted skirt“ und hat mit einem Kilt nichts zu tun. Das ist kein Rock, sondern eine etwa 4×8 Meter breite Stoffbahn, aus der sich Schotten in einem komplizierten Manöver ein Kleidungsstück basteln. Das Muster darauf nennt man Tartan und ist nicht willkürlich gewählt, sondern steht für den jeweiligen schottischen Clan (Klugscheißer-Modus off).

 

 

Was mich in Edinburgh jedes Mal aufs Neue fasziniert, ist die große Vintage- und Second-Hand-Szene, vor allem rund um den Grassmarket kann man viele Stunden damit verbringen, ist den schrägsten Klamotten zu wühlen. „Armstong & Son“ (81-83 Grassmarket) ist der bekannteste, bunteste und vor allem älteste Laden.

Mein Lieblingsshop am Grassmarket ist „Godiva“ (9 West Port): Im vorderen Raum findet man die schönsten Stücke lokaler Designer, im Hinterzimmer gibt’s tolle und vor allem günstige Second-Hand-Mode. Ursprünglich kaufte man am Grassmarket übrigens etwas anderes: Vom 15. bis zum 20. Jahrhundert war hier der Marktplatz für den Vieh- und Pferdehandel, aber auch der Galgen von Edinburgh. Mit der Erinnerung an die alten, schaurigen Zeiten spielt das ein oder andere Pub, zum Beispiel „The Last Drop“ – auf deutsch: der letzte Tropfen (74-78 Grassmarket).

 

Die Nähe zum Meer

Eine Sache, die mich an Edinburgh besonders fasziniert, ist die Nähe zum Meer und die Tatsache, dass man mitten in Edinburgh an vielen Stellen das Blau des Ozeans sehen kann, denn die Stadt liegt am Firth of Forth, einem Fjord, der in die Nordsee mündet. Ich liebe die raue See in den nördlichen Ländern, selbst wenn es regnet und stürmt gibt es für mich nichts Schöneres, als in Gummistiefeln am Strand spazieren zu gehen.

Von Edinburgh fahren viele Busse an die Küste, mein Lieblingsplatz ist der malerische Vorort Portobello, wohin es gerade mal 20 Minuten dauert (mit der Buslinie 15 von der Princes Street). Neben einer Menge Fish’n’Chips-Shops, Cafés und Eisdielen bezaubert hier vor allem eine Strandpromenade mit malerischen Villen – und es kann passieren, dass man sich den weißen Strand und die raue Nordsee nur mit einem Dutzend Möwen teilen muss. Erst seit 2016 gibt es direkt am Strand das „Miro’s“ (25 Promenade), seither mein erklärter Lieblingsort. Am Wochenende ist es gerammelt voll und scheinbar jeder kommt her, um eine Portion Fish’n’Chips (£ 13, ca. € 16) with a view zu genießen.

 



Apropos schottische Küche: Meine Faszination für frittierte Marsriegel habe ich schon kundgetan, Fish’n’Chips und Porridge gehen auch immer, es gibt aber noch vieles mehr, was man in Schottland kosten muss, wenn auch manches seltsam anmutet. Ganz vorne auf der Liste der kulinarischen Kuriositäten für Schottland-Newbies: das Nationalgericht Haggis, das viel unappetitlicher klingt als es schmeckt: Die gehackten Schafs-Innereien mit Rindernierenfett, Zwiebeln, Haferflocken und Kräutern schmecken ähnlich wie Blutwurst und werden in vielerlei Variationen angeboten, egal ob als Haggis-Burrito (£ 5.45, ca. € 7,40) bei „Los Cardos“ (281 Leith Walk) oder als Haggis-Balls mit fruchigem Chili-Dip (£ 5.95, ca. € 7,70) bei „The Huxley“ (1 Rutland Street).

 



Das älteste Pub ­– nicht nur von Edinburgh, sondern angeblich von ganz Schottland – befindet sich übrigens in einem neuen Trendbezirk: Nur fünf Minuten zu Fuß entfernt von der Princes Street liegt das Dean Village in Stockbridge. Einst ein malerisches Dorf, spaziert man hier am Water of Leith entlang und findet ein putziges Pub neben dem nächsten individuellen Shop – und eben auch besagtes „The Sheep Heid Inn“ (43-45 The Causeway).

Hier kann es dann passieren, dass man bei einem Pint oder Whisky sitzt (ich halt’s da ganz nach Humphrey Bogart, der einst sagte: “Man muss dem Leben immer um mindestens einem Whisky voraus sein“), die inoffizielle Hymne Schottlands hört – und als Ohrwurm mit nach Hause nimmt: „Land of my high endeavor, land of the shining river, land of my heart for ever, Scotland the brave”. Bei der nächsten Reise nach Schottland singen wir dann alle mit, lernen vorher aber noch den ersten gälischen Satz: „Tha mi cinnteach gum bi mi a’ tilleadh do dh’ Alba“„Ich bin sicher, dass ich nach Schottland zurückkehren werde.“ Aye.

Die Autorin

Edinburgh

Foto: Linda Dziacek/photostyle.at 

Eigentlich sind ihre Eltern schuld, dass die Journalistin Jasmin Kreulitsch nicht fix in einer Redaktion sitzt, sondern als freie Reisejournalistin arbeitet und am liebsten um die Welt jettet. Die lernten sich nämlich bei einem Reiseunternehmen kennen und verliebten sich wegen einem vergessenen Reisepass ineinander. Das Reise-Gen wurde deshalb automatisch vererbt, den Pass hat Jasmin aber noch nie vergessen: Wenn sie zu ihren Recherchereisen aufbricht, hat sie dank einem ausgeprägten Nerd-Gen wirklich alles dabei. Vor allem die Neugier auf neue Destinationen und die große Lust, allen davon zu erzählen – egal ob in Zeitschriften, Zeitungen, Blogs oder in Bildern und Videos auf Instagram (www.instagram.com/dreigroschenoma).

Alle Fotos von Jasmin Kreulitsch

 

 

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