Run, girl, run!
Ich hasse rennen. Schon als Kind, dann als Teenager und auch jetzt als Erwachsene. Selbst in den Ferien kann ich mich nicht dafür erwärmen, in der Gegend rumzurennen. Schon gar nicht im Dschungel. Und doch tat ich es in Nepal.
Vor einigen Jahren war ich mit Freunden im Chitwan National Park in Nepal unterwegs. Der Park ist bekannt für seine Nashörner und allerlei anderes wildes Getier. Im besten Fall sieht man sogar einen Tiger – sagen zumindest die Guides. Von denen gibt es auch allerlei – staatlich geprüfte und selbst ernannte, welche nach eigenen Angaben die Fauna und Flora aber wie ihre Westentasche kennen. Warum also viel Geld für einen der anerkannten Wildhüter und offiziellen Guides ausgeben, wenn’s auch halb so teuer geht, dachten wir uns in unserem jugendlichen Leichtsinn. Schwupps, war Puri verpflichtet, der uns auf der Strasse angesprochen hatte. Am nächsten Tag sollte es in aller Frühe losgehen.
Wir treffen uns vor der Lodge, die Mitglieder unseres Grüppchens in Tarnfarbe – Puri in grellrotem T-Shirt. „Nashörner sehen eh nichts“, meint er. Als nicht staatlich anerkannter Guide dürfe er leider kein Gewehr mitnehmen, fährt er fort. Am besorgtesten darüber scheint er selbst, wir haben da als Tierfreunde kein Problem mit.
Los geht‘s Richtung Dschungel, die ersten paar hundert Meter durch mannshohes Elefantengras. Zu dieser Zeit sei es besonders gefährlich, da man die wilden Tiere nicht sehen könnte; wir sollten daher ganz dicht hinter ihm bleiben, hatte Puri uns noch ans Herz gelegt. So marschieren wir also giggelnd wie bei einem Klassenausflug im Gänsemarsch hinter dem dürren Nepali her. Das Lachen sollte uns bald vergehen. Nach knapp drei Minuten hören wir das erste Schnauben, links von uns in etwa 20 Metern Entfernung raschelt das hohe Gras. Puri bleibt einen winzigen Moment stehen, schaut flüchtig ins Grün und schreit dann: „RHINOS! RUN!“. Und so rennen wir – das erste Mal an diesem Tag. Ängstlich stolpern wir Puri hinterher, der als erster und schnellster rennt – er scheint Übung zu haben. Irgendwann bleibt er stehen und wir atmen durch.
Für einmal nicht am rennen: Eine Touristengruppe im Chitwan-Nationalpark
Weiter im normalen Gang. Statt auf der Grasfläche sind wir nun im dichten Dschungel. Wir sind leiser geworden, das Gekicher hat erst mal aufgehört. Stattdessen lauschen auch wir nun angestrengt in das dichte Grün. Und hören nach kurzer Zeit eine Art Stampfen und Grunzen. Auch Puri hört das. Es dauert etwa zwei Sekunden, dann schreit er: „WILD PIGS! RUN!“ Und wieder rennen wir. Nach ein paar Hundert Metern drosselt Puri sein Tempo auf normales Gehen. „Very dangerous. Wild pigs“, brummelt er und marschiert weiter.
Mir reicht es jetzt schon fast mit diesem Adrenalin-Auf-und-Ab und dieser Rennerei im Dschungel, bei etwa 45°C und 93 Prozent Luftfeuchtigkeit, und bald sehne ich mich nach einer Pause. Nach etwa einer Stunde und weiteren gelegentlichen „RUN“-Schreien und Sprints ist es soweit. Wir halten an einer Art Hütte. Kaum stelle ich meinen Rucksack ab und beuge mich vor, um meinen Snack auszupacken, gellt mir wieder seine Stimme ins Ohr: „STOP! VERY POISONOUS FROG“! Und tatsächlich, vor mir sitzt einer dieser wunderbaren knallbunten Miniatur-Giftfröschchen. Ich schleiche mich mit möglichst langsamen Bewegungen davon – schliesslich hat Puri diesmal nicht „RUN“ gesagt!
Die Pause ist kurz, aber langsam möchte ich eigentlich eh nur noch zurück in die sichere Lodge, Steinbau mit Moskitozelt…
Schön anzuschauen, aber auch gefährlich: Ein Nashorn
Zuvor gibt’s nur noch einen Stopp. Bei einer Art Hochsitz bleiben wir stehen, um uns das jetzt wieder vor uns liegende Elefantengras, das sicher nur so von Nashörnern, Tigern, Schlangen und weiteren Bestien wimmelt, noch von oben zu sehen. Während meine Freunde schon hochklettern, warte ich geduldig unten. Bis mein Blick auf meine Schuhe fällt, in die sich gerade mindestens 50 Blutegel ihre Wege bahnen. Noch als winzige Würmchen unterwegs, stecken einige schon bis zur Hälfte in den Löchern der Schnürsenkel, voll Vorfreude auf mein süsses Blut, das sie dick und fett werden lässt. „AAAAAAAAAAAH“, schreie ich diesmal. Und renne. Freiwillig. Nichts wie heim.
Und die Moral von der Geschicht… auch im Dschungel lohnt sich das Sparen nicht!
Willst Du Tiere auch tatsächlich sehen, lohnt es sich, einen der offiziellen Guides zu nehmen. Dies ist natürlich auch keine Garantie, denn wilde Tiere sind nun mal wilde Tiere. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird ein staatlicher Guide jedoch nicht beim kleinsten Mucks die Flucht ergreifen.
Oder Du schwingst Dich auf den Rücken eines Elefanten. Erstens bist Du so erhöht, zweitens überdeckt der Elefant unseren Menschengeruch.
Gehst Du nur der Fitness wegen und konntest Dich zwischen Bootcamp oder Nationalparktour nicht entscheiden, dann buche Puri oder einen seiner Kollegen.
Chitwan-Nationalpark
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Infos:
Der Chitwan-Nationalpark wurde 1973 als erster Nationalpark des Landes gegründet. Er nimmt eine Fläche von 932 Quadratkilometern ein und liegt im Terai, den südlichen Vorbergen des Himalaya. Der Nationalpark ist Lebensraum für Nashörner, Wildschweine, Affen, Leoparden, Schlangen, Krokodilen,… – insgesamt mehr als 700 Tierarten. Sehr selten ist der „König des Dschungels“, der Bengalische Tiger. Lodges und Reisebüros im ganzen Land bieten Safaris und Ausflüge in den Dschungel an, sowohl zu Fuss als auch auf dem Rücken von Elefanten.