Salz von innen trifft auf Salz von aussen
Auf der Liste der gefährlichsten Tiere der Welt stehen Wale bekanntermassen nicht zuoberst. Trotzdem kann ein Whale-Watching-Trip schnell zu einem (Angst-)schweisstreibenden Abenteuer werden.
Es ist kurz vor Mittag an der argentinischen Küste und der Whale-Watching-Katamaran erwartet uns am Strand der Halbinsel Valdés. Aber nicht etwa im Wasser, sondern auf dem Anhänger eines Traktors. Dieser fährt kurze Zeit später rückwärts ins Wasser und entlässt das Schiff in sein Element.
Der Katamaran wird zu Wasser gelassen. Die Sonne scheint (noch)
Die Fahrt geht los und die Fotoapparate liegen schussbereit in den Händen der euphorischen Walbeobachter. Was wir nicht wissen: Während wir über die Bordlautsprecher erste Informationen über die hier lebenden Meeressäuger erhalten, wird hinter uns am Strand eine Sturmwarnung ausgerufen. Nun frischt auch auf dem Wasser der Wind auf, doch zeitgleich taucht der erste Buckelwal vor uns auf. Er ist etwa elf Meter gross, so heisst es, also noch ein „kleines“ Jungtier. Es springt aus dem Wasser und um uns herum klicken die Fotoapparate im Akkord. Dass das Schiff immer stärker im Wellengang mitschaukelt, registriert niemand.
„Klein“ aber oho: ein junger Buckelwal zeigt, was er kann
Und dann folgt der Rückweg. Die Wellen werden höher und höher und schlagen über die Reling aufs Deck. Wer am Rand sitzt, kann sich noch kurzerhand unter dem Wasser hinweg ducken, wer aber in der Schiffsmitte sitzt, bekommt die ganze Ladung ab. Schlau ist, wer den Fotoapparat schon in Sicherheit gebracht hat. Die Informationen über das Mikrofon sind inzwischen beruhigenden Floskeln gewichen, doch das Lächeln der netten Meeresbiologie-Studentin scheint mit jeder Welle etwas mehr zu verwässern. Langsam tritt auch mir der Schweiss auf die Stirn und vermischt sich mit dem Wasser des Ozeans. Salz von innen trifft auf Salz von aussen, quasi.
Während ich insgeheim die verbleibende Distanz zum Strand abschätze und mich frage, warum ich meinen Schwimmkurs damals nach Erreichen des Seepferdchen-Abzeichens abgebrochen habe, höre ich fröhliches Gelächter. Die beiden neben mir sitzenden älteren Damen aus Italien scheinen sich offenbar nicht zu fürchten – ganz im Gegenteil. Ihre gute Laune steckt an und schliesslich lachen wir gemeinsam.
Am Strand wartet der Traktor vergebens auf uns. Der Wellengang ist zu stark, als dass der Kapitän das Schiff auf den Aufleger manövrieren könnte. Nach mehreren erfolglosen Versuchen setzt er den Kahn schliesslich auf dem Sand auf. Über ein Stangengerüst sowie zwei Traktoren gelangen wir von Bord.
Mit Traktoren werden die Passagiere vom gestrandeten Katamaran geholt
Der kalte Wind dringt durch die nassen Kleider bis tief unter die Haut. Während wir versuchen uns aufzuwärmen und uns auf den weiteren Ausflug vorbereiten, höre ich hinter wieder das bekannte Lachen. Der Anblick der beiden italienischen Ladys ist herzerwärmend: Im Touristenladen haben sie sich trockene Kleider gekauft – Wollpullis und in keiner Weise dazu passende Stoffhosen im Batik-Look. Meine eigenen Kleider sind im Laufe des Tages getrocknet und auch die Wolken sind wieder verschwunden, aber das Lachen hallt noch heute in meinen Ohren.