Sri Lanka: Von Tempeln, Teeplantagen, Elefanten und Gewürzen
Zugegeben, der Plan war etwas vage formuliert: Mit dem Zug von Colombo bis ins ehemalige Fischerdörfchen und heutige Touristenmekka Arugam Bay an der Südostküste von Sri Lanka zu reisen. Bereits im Hotel in der Landeshauptstadt rät man uns von der Idee ab. An Feiertagen seien die Züge überfüllt, heisst es, und ohne Reservation sei es nahezu unmöglich, Plätze zu ergattern. Man schlägt uns vor, stattdessen einen privaten Fahrer zu mieten, der innert weniger Minuten organisiert wird. Die Reise führt über das Bergland und dauert vier Tage.
Zugfahren in Sri Lanka wird an Feiertagen ohne Reservation nicht empfohlen
Sri Lanka – Früchte wie im Schlaraffenland
Dany, der 60-jährige Fahrer, steuert den Wagen geschickt durch den Morgenverkehr von Colombo. Schon bald lassen wir die Hektik der knapp eine Million Einwohner zählenden Stadt hinter uns, die Strassen werden menschenleerer, die Landschaften immer üppiger. Aus den Lautsprechern klingt Musik, die aus einem Bollywoodfilm stammen könnte, während sattgrüne Reisfelder und hohe Palmen an uns vorbeiziehen. Hie und da schlendern Frauen in farbigen Gewändern oder Kinder in Schuluniformen der Strasse entlang, wunderschöne Tempelanlagen tauchen scheinbar aus dem Nichts auf.
Mitten in einer Kurve stoppt Dany und steigt aus. Jetzt erst kann ich einen hölzernen Verkaufsstand mit den saftigsten Tropenfrüchten am Strassenrand erkennen: Mangos, Papayas, Kokosnüsse, Bananen und andere Köstlichkeiten liegen im Schatten des Palmendachs. Dany kehrt zurück mit einem Plastikteller voller Ananasstücke, die um ein Vielfaches saftiger sind als zu Hause, und der „Jackfruit, die mit ihrem gelben, faserigen, etwas klebrigen Fruchtfleisch und dem süssen Geschmack mein Mittagessen zu ersetzen vermag. „In Sri Lanka ist es wie im Schlaraffenland. Es gibt kaum eine Frucht, die bei uns nicht zu finden ist“, erklärt Dany. „Hier wachsen sogar zehn verschiedene Bananenarten.“
Besuch im Elefanten-Waisenhaus
Als ich von meinem Mittagsschlaf im Minibus erwache, überqueren wir eine Brücke mit spektakulärer Aussicht über die dunkelgrünen Täler, bevor Dany den Wagen vor dem Elefanten Waisenhaus Pinnawala parkiert. „Auf diesem Gelände werden verletzte und verwaiste Elefanten aufgepäppelt und aufgezogen“, erklärt der Singhalese. Wild lebende Elefanten werden nicht selten erschossen, weil sie auf Nahrungssuche die Felder zerstören. Elternlos aufgefundene Jungtiere werden dann von Wildhütern nach Pinnawala gebracht, wo sie von der bestehenden Herde meist sofort aufgenommen werden.
Es sei einfach, die Elefanten später als Arbeitstiere einzusetzen, da sie von klein auf an Menschen gewöhnt seien. „Ein Tier kann bis zu hundert verschiedene Befehle erlernen“, bestätigt Wärter Rahim. Nachdem wir die Fütterung der kleinen Findlinge, die eine Flasche Milch in wenigen Sekunden leeren, beobachtet haben, sehen wir den ausgewachsenen Tieren beim Baden zu. Rahim zufolge vergnügen sich die Elefanten nach einem Arbeitseinsatz von maximal sechs Stunden endlos lange im Fluss Maha Oya, was mich angesichts der brütenden Hitze nicht erstaunt.
Der Heilige Zahn Buddhas in Kandy
Nur ein paar Teehügel und Reisfelder entfernt, liegt Kandy, Hauptstadt des letzten singhalesischen Königreiches und für mich absoluter Höhepunkt dieser Reise. „In Kandy befindet sich die heiligste Reliquie des Landes: der Zahn des Religionsstifters Siddharta Gautama“, berichtet Dany, den Blick stets auf die belebte Strasse gerichtet. Wir fahren am See, der mitten in der Stadt liegt, sowie an zahlreichen Mönchen in leuchtend orangen Gewändern vorbei. Schliesslich erhaschen wir einen Blick auf den ehemaligen Königspalast und heutigen Zahntempel Sri Dalada Maligawa, eine der bedeutendsten Pilgerstätten des Buddhismus. Einmal jährlich findet in Kandy eine der grossartigsten Prozessionen Südostasiens statt: die Kandy-Perahera, ein fünfzehntägiges Fest rund um den Zahn Buddhas mit Opferungen und Umzügen, Hunderten von aufwändig geschmückten Elefanten und Tausenden von Zuschauern.
Kolonialarchitektur, Teeblätter und Gewürze
Tags darauf geht es weiter nach Nuwara Eliya, ein von scheinbar endlosen Teeplantagen umgebenes, fast 2000 Meter über Meer gelegenes britisch angehauchtes Städtchen. Nun bin ich froh, meinen Pullover in Griffnähe zu haben. Hier steigen die Temperaturen gemäss Dany selten über 20 Grad. Dem breiten Sortiment an Regenschirmen in den Geschäften zufolge sind auch Niederschläge keine Seltenheit. Das Städtchen war während der Kolonialzeit eine beliebte Sommerresidenz der Briten und ist auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel. „Bei grosser Hitze flüchten viele Küstenbewohner ins kühlere Berggebiet“, erklärt unser Fahrer über einem feinen Gemüsecurry in einem schmucken englischen Landhaus.
Nuwara Eliya ist umgeben von Teeplantagen.
Auf der letzten Reiseetappe hat Dany eine weitere Überraschung bereit: der Besuch eines Gewürzgartens, durch den wir von einem perfekt Deutsch sprechenden Einheimischen geführt werden. Seit Jahrtausenden werden Gewürze in Sri Lanka nicht nur zum Verfeinern der Speisen, sondern auch als Arzneimittel, Parfüm, für Ayurveda- und Aromatherapien verwendet. Wir riechen an Zimtstangen, Zitronengras sowie Curryblättern, die den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken sollen.
Zum Schluss gibt’s gar einen diskreten Gratistipp gegen Hitzepickel für meine Begleitung, während mir empfohlen wird, mit Hilfe eines Fläschchens Limonensaft ein, zwei Kilos abzuspecken. Und das mitten im Schlaraffenland.