Wandern und Kraxeln von Hütte zu Hütte: der Tiroler Adlerweg

Wandern und Kraxeln von Hütte zu Hütte: der Tiroler Adlerweg

Als Bergwanderer sind wir ja meistens auf rot-weiss markierten Wanderwegen unterwegs – und da läuft in der Regel alles nach Plan und Markierung und der Weg schlängelt sich artig durch die Berge und bringt einen sanft zum Ziel. Manchmal aber, da juckt es doch manche unter uns, und wir sind bereit für einen extra Kick Abenteuer, da darf’s mal etwas kraxeliger und anspruchsvoller sein, da will man richtig stolz sein am Abend über all die Felssimse und Steilstücke, die man geschafft hat. Willkommen auf dem Adlerweg im Tirol!

Anhalterhütte Richtung Plötzigtal im Lechtal

In seiner Grundform ist dies ein Fernwanderweg mit 33 Etappen und führt in West-Ost-Richtung durch das ganze Tirol. Das war mir und meiner Partnerin Barbara für unsere Wanderferien doch etwas lang, und so waren wir diesen Sommer eine knappe Woche auf einem Abschnitt in den Lechtaler Alpen unterwegs. Auf der Webseite auf tirol.at gab es jede Menge Informationen zu den Etappen. Jede hat dabei auch ein Schwierigkeits-Rating, entweder blau, rot oder schwarz. Unsere fünf Etappen waren im roten und schwarzen Bereich, also im mittleren und oberen Schwierigkeitsgrad. Mal schauen, was das konkret bedeutet…

Blumen beim Steinsee
Silberwurz beim Steinsee

Ein heisser Start…

Mit Zug und Bus geht’s zum Ausgangspunkt in Bschlabs, das ist ein kleiner Weiler in einem südlichen Seitental des Lechtales. Die Anfahrtszeit etwa von Zürich ist gut machbar: etwas unter fünf Stunden. So hat auch der Aufstieg zur ersten Unterkunft, der Anhalter Hütte, noch gut Platz.

Die Anhalter Hütte auf dem Tiroler Adlerweg

Und der Start ist angenehm sachte, denn der Weg ist auch nicht zu steil und ohne Schwierigkeiten. Mit den 36° C unten im Tiefland ist es aber auch hier oben sehr warm; wir sind froh, bei der komfortablen Hütte T-Shorts und Socken zum Trocknen ausziehen und uns für ein kühles Bier unter die Sonnenschirme vor der Hütte setzen zu können.

Das kann ich gleich vorwegnehmen: alle unsere vier besuchten Hütten waren recht modern und komfortabel; ob man noch ein Zimmer bekommt oder in einem Mehrbettzimmer oder Lager nächtigt, wird natürlich davon abhängen, wie lange im Voraus man reserviert. Alle Reservationen laufen übrigens bequem online über die Webseiten der Hütten.

Morgenstimmung beim Hahntennjoch

Wie schön: in der Nacht zieht ein wunderbar kühlendes Gewitter über die Berge, und ich liege wohlig unter meiner Kuscheldecke, während es draussen blitzt, donnert und regnet. Die verbleibenden Wolkenfetzen am zweiten Morgen geniessen wir sehr: sie bringen Kühle – und viel Stimmung in diese Berglandschaft. Wie es hier eigentlich so aussieht? Wir haben beide nach ähnlichen Landschaften in der Schweiz gesucht – und kamen auf eine Mischung von Prättigau, Ofenpass und Nationalpark. Also mit weiten, ursprünglichen und bewaldeten Tälern, kleinen Weilern und Alpen hier und dort, und darüber schroffen, kalkigen Gipfeln so um die 2’500 Meter.

Variieren nach Lust und Laune

Den zweiten Wandertag finde ich den Abwechslungsreichsten unserer fünf Etappen. Es geht über Weiden und einen in den Fels gehauenen Saumweg auf das Steinjöchle, durch das weite Hahntennental (anfänglich mit Passstrasse in der Nähe), vorbei an Weilern mit über 700-jährigen Häusern hinab nach Boden (mit Gasthaus) und durch ein weiteres, wildes Bergtal hoch zur Hanauer Hütte.

Abendstimmung bei der Hanauer Hütte mit der Dremelspitze links

Wie die Anhalter Hütte liegt auch diese auf einer kleinen Schulter mit toller Aussicht, und natürlich mit einer verführerischen Karte mit Kaiserschmarrn, regionalen Bieren und anderen Lecker- und Naschereien. Die nun folgende offizielle Adlerweg-Etappe 20 teilen wir in zwei Tage auf und machen einen extra-Stopp in der Steinseehütte.

Zwischen Steinsee und Steinseehütte

Zwischen Steinsee und Steinseehütte

Statt einem sieben- oder acht-Stünder haben wir so zwei etwas kürzere Tage. Das reicht auch, vor allem, weil die Berglandschaft hier noch einen Zacken Dramatik zulegt. Und man einfach genug Zeit haben will, um am idyllischen Steinsee nach Lust und Laune zu chillen und absolut nichts zu tun. Es sind ja schliesslich Ferien.

Diesen See muss man auskosten

Unsere dritte Etappe, also von der Hanauer zur Steinsee-Hütte, ist deutlich anspruchsvoller als die zwei ersten Tage.

Beim Steinsee

Zwischen den beiden Hütten gibt es zwei Scharten, also steile Passeinschitte, zur Auswahl – die westliche und die östliche Dremelscharte. Wir hören alle möglichen Varianten, welche einfacher und welche schöner ist, und so wählen wir die östliche. Den Ausschlag hat gegeben, dass hier noch ein kleiner Bergsee auf der Karte lockt. Eindrücklich ist vor allem die Landschaft um diesen (namenlosen) See: ein riesiger Kessel aus nichts als Fels und Schutt.

Aufstieg zur Dremelscharte

Der Aufstieg auf die östliche Dremelscharte führt durch einen steilen und engen Einschnitt. Auch der Untergrund ist etwas rutschig, und so sind wir echt froh, dass fix installierte Drahtseile etwas Halt geben. Die südliche Seite ist dann weniger steil, und mit Vorsicht geht es ohne Probleme durch den Hang hinunter. Und dann, wie schon angekündigt: der Steinsee. Er ist echt ein Juwel von einem Bergsee, umrahmt auf drei Seiten von Bergen und im Südwesten mit einem Weitblick auf zahllose Gipfel der Lechtaler Alpen.

Letztes Stück Aufstieg zur Dremelscharte

Wir übernachten gleich zwei Mal in der Steinseehütte. Frühmorgens am Ruhetag, wenn alle Sträuchlein und Bergblumen noch mit Tau bedeckt sind und in der Morgensonne glitzern, bin ich mit der Kamera unterwegs, später treffe ich mich mit Barbara oben beim Steinsee und hänge einfach ab. So wie es auch ein Dutzend Haflinger-Pferde tun – und zahlreiche Wanderer, die hier die Stille und die Landschaft und das kühle Wasser geniessen.

Haflingerpferde beim Steinsee

Es war aber eine glückliche Entscheidung, heute beizeiten wieder in der Hütte zu sein. Denn am frühen Nachmittag bricht ein heftiges Sommergewitter los, und da sind wir froh, drinnen zu sein und einen leckeren Dessert aus Christoph und Manuelas Küche zu geniessen. Wie (fast) jeden Tag probiert Barbara einen Zirbenschnaps (also einen Schnaps aus eingelegten Arvenzapfen); meine Sache ist das überhaupt nicht, ich bleibe da lieber bei Hopfen und Malz.

Die Königsetappe

Die vierte Etappe von der Steinseehütte zum Württemberger Haus ist so was wie das „Pièce de Résistance“ unserer fünf Wandertage.

Abstieg von der Rosskarscharte

Unterhalb Württemberger Haus

Denn es gilt gleich drei Scharten zu überwinden. Nach einem heftigen Regenguss erreichen wir die erste der drei, die Steinkarscharte. Fazit: easy. Nach etwa zwei weiteren Kilometern: die Rosskarscharte. Der Aufstieg ist einfach, der Abstieg dann aber doch recht anspruchsvoll. Wieder geht es durch eine steile Runse in die Tiefe, Kletterseile und Drahtseile liegen auf beiden Seiten der Runse bereit. Über eine mehrere Meter hohe Felskante geht es auch hinab, und hier ist man doch klar am Klettern und nicht mehr am Wandern.

Wer aber etwas Kraxel-Erfahrung hat oder den Kick einfach geniesst, wird keine Schwierigkeiten haben. Schätzungsweise 150 Höhenmeter geht es wirklich steil hinab, im unteren Teil helfen gummierte Drahtseile dabei, kontrolliert durch einen Schutthang absteigen zu können. In der Steinseehütte haben wir am Vortag einige Wanderer mit Helm gesehen; das finde ich ein recht sinnvolles Gadget in diesem steilen und rutschigen Gelände. Und ich hätte mich gleich auch noch Handschuhe gewünscht, nachdem ich mir die linke Hand an einem abstehenden Draht nicht übel, aber doch blutig aufgeschnitten habe. No risk no fun höre ich da jemanden im Hintergrund kommentieren.

Der dritte Übergang des Tages, das Gebäudjöchl, ist auch nicht ganz ohne. Auch hier gibt es im Abstieg einige rutschige Passagen zu meistern und um einige Felsklötze rum zu hangeln. An den kritischen Stellen hat es Steig- und Haltebügel, oder zumindest an den meisten Stellen, an denen man sich solche wünscht…

So geht feiern auf Tirolerisch

Das Württemberger Haus ist dann das verdiente Ziel des Tages; ein etwas älterer Bau mit wunderschön getäferter Stube. Magisch passend dazu: da ist eine Frau, die Heidi Abfalter, und sie hat eine Böhmische Wanderharfe bei sich. Nach dem Abendessen spielt sie eine ganze Reihe moderner Stücke im Harfen-Sound – das ist definitiv ein himmlisch schönes und auf magische Art entspannendes Musikerlebnis.

Das Württemberger Haus, daneben die Spiessrutenspitze

Das Württemberger Haus, links Spiessrutenspitze

Zu fortgeschrittener Stunde begeitet sie dann noch der Gebirgspolizist aus dem nahen Dorf auf seiner Gitarre und mit seinem Gesangstalent. Ein tolles Duo, das zu fortgeschrittener Stunde und mit wachsender Schnäpsle-Zahl immer beschwingter wird. So geht ein Tiroler Hüttenabend!   : )

Unser sechster Tag und unsere fünfte eigentliche Wanderetappe (wir haben ja einen Ruhetag auf der Steinseehütte eingelegt) führt schliesslich vom Württemberger Haus hinab nach Zams. Es ist ein recht langer Abstieg von fast 1500 Metern. Er war aber auch für mein Unfallknie gut machbar – mit Wanderstöcken und dank einer angenehmen Verteilung des Gefälles auf die ganze Wegstrecke.

Das Württemberger Haus, Spiessrutenspitze

Nicht verpassen: eine Jause-Pause bei der Unterlochalm. Besonders eindrücklich ist das Zammerloch, eine tiefe, sehr wilde Schlucht, die man auf der zweiten Hälfte der Etappe auf der rechten Seite des Weges hat. In Zams hat man dann buchstäblich das Z der Tour erreicht; wer mehr Zeit und Power in den Waden hat, kann den Adlerweg vom Württemberger Haus aus natürlich fortsetzen, so weit die Füsse tragen, und wer will bis zum Arlberg-Pass.

Die fünf Etappen

1.Tag: Bschlabs – Anhalter Hütte

Ausgangspunkt   Haltestelle Pfafflar Plötzigtal des Postbuses, zwischen Bschlabs und Pfafflar. (Der Zustieg ist auch von Namlos möglich, hierhin gibt es allerdings keinen Postbus.)

Route                   Auf dem Weg Nr. 616. Anfänglich durch Wald, später vermehrt durch Latschen und schliesslich über Almweiden.

Länge                    7 km, 670 m Aufstieg, ca. 3 Std.

Schwierigkeit       leicht bis mittel

Einkehren             keine Möglichkeiten

Anhalterhütte     Zweier bis Mehrbettzimmer, Reservationen online, www.dav-obererneckar.de, Telefon +43 (0) 660 664 74 28

2. Tag: Anhalter Hütte – Hanauer Hütte

Route    Durchwegs auf dem E4. Nach einem kurzen Abstieg zum Steinjöchle hoch und auf der anderen Seite hinab zum Hahntennjoch. In der Nähe der Passstrasse nach Westen, hinab ins kleine Dörfchen Boden und schliesslich durch das Angerletal zur Hanauer Hütte.

Länge                    13 km, 780 m Aufstieg, 880 m Abstieg, ca. 4,5 Std.

Schwierigkeit       leicht bis mittel, Schlussaufstieg zur Hütte steil

Einkehren             Imbissstand beim Hahntennjoch, Restaurant in Boden

Anhalterhütte     Zweibettzimmer bis Lager, Reservation über die Website, Telefon  +43 (0) 664 266 91 49, www.hanauer-huette.at

3. Tag: Hanauer Hütte – Steinseehütte

Route    Auf dem Weg 625. Von der Hütte zur Hinteren (östlichen) Dremelscharte) und hinab via Steinsee zur Steinseehütte. (Alternativ auf der E4 über die westliche Dremelscharte, diese Route soll vergleichbar schwierig sein.)

Länge                    7 km, 450 m Aufstieg, 330 m Abstieg, ca. 3 Std.

Schwierigkeit       schwierig, am anspruchsvollsten ist der Aufstieg zur Hinteren Dremelscharte (Drahtseile installiert).

Einkehren             keine Möglichkeiten

Steinseehütte     Vierbettzimmer bis Lager, Reservation über die Webseite, Telefon +43 (0) 660 49 17 124, www.steinseehuette.at

4. Tag: Steinseehütte – Württemberger Haus

Route    Durchgehend auf der E4. Von der Steinseehütte über die Steinkarscharte, weiter über die Rosskarscharte und schliesslich über das Gebäudjöchl. Dann hinab zum Württemberger Haus.

Länge                    6 km, 630 Aufstieg, 470 m Abstieg, ca. 4,5 Std.

Schwierigkeit       schwierig, besonders die Rosskarscharte und das Gebäudjöchl sind anspruchsvoll, mit Drahtseilen, Seilen und einigen Tritt- und Haltebügeln.

Einkehren             keine Möglichkeiten

Württemberger Haus         Zimmer und Lager, Reservation über die Webseite, Telefon +43 (0)664 440 12 44, www.dav-wuerttembergerhaus.at

5. Tag: Württemberger Haus – Zams

Route                    Vom Württemberger Haus hinab zur Unterlochalm und dann talauswärts bis Zams.

Länge                    11 km, 1460 m Abstieg, ca. 4 Std.

Schwierigkeit       Einfach bis mittel

Einkehren             Unterlochalm

Diverse Unterkünfte in Zams oder Umgebung.

Infos zum Adlerweg: www.tirol.at, dann Suchbegriff Adlerweg

Anreise: Fahrplan auf www.oebb.at oder auf der öbb-Scotty-App

Vorlagekarte:

Karte Adlerweg

Zum Autor

Heinz Staffelbach

Gleich zwei Reise-Viren trage ich in mir. Das FERN-Virus bricht seltener, aber dafür heftig aus – es hat mich schon vier Jahre an Nordamerika und ein ganzes Jahr an Afrika gefesselt. Das NAH-Virus verfolgt mich dafür ständig – dann helfen nur noch durch lange Wander- und Trekking-Touren in den Alpen. Ein weiterer Blogbeitrag von unserem Gastautor Heinz Staffelbach findet sich hier.

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